Rettungskreuzer Ikarus Band 042 - Gesandtschaften
Mehrung von
Reichtum und Einfluss der Organisation. Hier berührten sie das Innerste
der Schwarzem Flamme, ihren dunklen Kern, in dem Jahrtausende alter Schmerz
brannte, neben ebenso alten Schwüren von Rache und Vernichtung. Wenn sie
wirklich, wie so oft vermutet, ein religiöser Kult wären, so hätte
Sally soeben ihre Finger auf das sakrosankte Heiligtum gelegt – und sie
merkte es. Ihr Zorn, ihre berechtigte Verbitterung über das Schweigen der
Zerodayyin, erstarb augenblicklich, und Skyta konnte fast sehen, wie die Gedanken
hinter der Stirn der Direktorin rasten, um die richtigen Worte zu finden, um
ihren Fehler wieder auszugleichen. Einen Fehler, der all ihre bisherigen Verhandlungen
zunichte machen würde, wenn sie nicht...
»Sie wollen eine Kopie unserer Archive?«, fragte Dilligaf in die Stille
hinein. Er war als Einziger ungerührt geblieben und erhob sich nun, löste
McLennane aus dem Dilemma, in das sie sich mit ihrer Frustration gebracht hatte.
Zu ihrer Überraschung winkte der Anführer
der Rashh Udayyin Skyta heran, und sie trat gehorsam an seine Seite.
Ohne ein weiteres Wort nahm Dilligaf ihren Arm, hob ihn hoch und zog gleichzeitig
mit der anderen Hand ein schmales Messer aus einem verborgenen Futteral. Die
Klinge schimmerte kurz, als sie vor zuckte, und Sktya spürte einen scharfen
Schmerz an ihrer Hand. Dann fiel lautlos ein einziger Tropfen Blut aus der kleinen
Wunde und kam direkt vor der Corpsdirektorin auf der glänzenden Tischplatte
auf, dunkles Rot auf Schwarz.
»Da ist es, all unser Wissen über die Kallia, den ersten Exodus, die
Ts!gna.«
McLennane sah auf den Blutstropfen, dann blickte sie wieder hoch zu Dilligaf.
Sie wollte fragen, was das sollte, ob er sie provozierte oder ein seltsames
Spiel mit ihr trieb, aber die Worte verweigerten sich ihr zum zweiten Mal.
Skyta spürte ein Kribbeln auf der Haut,
ließ ihren Blick in die Runde schweifen und wusste plötzlich die
Antwort.
Dilligaf wollte beides, provozieren und
ein Spiel spielen, aber das bezog sich nicht auf die Corpsfrau. Die Geste war
nur für die anderen Zerodayyin bestimmt, die die Szene genau verfolgten.
»Ich sagte Ihnen ja, es ist nicht so einfach. Sie haben gedacht, unser
Wissen wäre in einem Computer, in alten Büchern, auf Hand gemeißelten
Steintafeln, die wir in riesenhaften Archiven unter der Burg verbergen? Dem
ist nicht so. Seit Generationen wird das Wissen der Schwarzen Flamme in den
Mitgliedern des Inneren Kreises verwahrt, in denen, die gegen den Virus der
Kallia immun sind. In ihrem Blut. Oder, noch genauer, in ihren Genen.«
Er deutete auf die winzige glänzende Lache. »Vor Ihnen liegt alles,
was wir haben, Sie können es mitnehmen. Vielleicht wäre Ihr Anande
sogar in der Lage, die Informationen zu entschlüsseln, doch soweit ich
weiß, ist er anderweitig beschäftigt. Es führt kein Weg drum
herum.«
Dilligaf sah hoch und sprach jetzt zu allen.
»Wir müssen miteinander reden. Zusammen arbeiten. Sonst werden wir
unser Ziel auch diesmal nicht erreichen. Weder wir, noch das Raumcorps. Keiner.«
Und das war das letzte Wort von Gewicht in der Sitzung gewesen.
Gedankenverloren rieb Skyta die kleine Wunde an ihrer Hand. Sie wusste nun,
was man ihr injiziert hatte – ihr eigenes, um die Geheimnisse der Schwarzen
Flamme angereichertes Erbgut, das sie zu etwas wie einem wandelnden Datenspeicher
machte, einer biologischen Bibliothek.
Sie wusste auch, dass Dilligaf sie in seinem
Spiel als Figur eingesetzt hatte. Vermutlich hatten nicht alle Mitglieder der
Zerodayyin gewusst, dass sie eine Immune war, ebenso wenig wie sie selber, und
waren durch die Wendung der Ereignisse zumindest überrascht worden. Ihr
war klar, dass es nicht um die Botschaft ging, die Dilligaf in der Sitzung verkündet
hatte, die hatte für sich genommen wenig Substanz. Nein, sie war nicht
viel mehr als der Prüfstein, an dem er testen konnte, wer in der Führungsriege
der Schwarzen Flamme so dachte wie er, wer auf seiner Seite stand – und
wer nicht. Auf wen er sich würde verlassen können, mit wem an der
Seite er in diesen Krieg ziehen konnte. Und wer hinter den Kulissen im Laufe
der Zeit einen anderen Weg eingeschlagen hatte, aus seinen eigenen Motivationen
heraus.
Dilligaf hatte sich die Gesichter seiner
Kameraden nicht angesehen, als der Blutstropfen vor McLennane fiel, aber er
wusste, dass Skyta es getan hatte. Er würde
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