Rettungskreuzer Ikarus Band 045 - Wächter des Imperiums
…«
Dilligaf nickte und gab seinem Team ein Handzeichen, dem Ts!gna zu folgen. Für einen Moment zog er es in Erwägung, den Trupp zu teilen und zumindest Joystick beim Fahrzeug zu lassen, entschied sich dann aber dagegen. Erstens befanden sie sich auf einem unbewohnten Planeten fernab aller interstellaren Verkehrswege, sodass es keinen Sinn ergab, den Truck zu bewachen, und zweitens konnte er in dem unbekannten Terrain einer gegnerischen Festung jedes zusätzliche Paar Augen und Hände brauchen.
»Okay, Gentlemen.« Dilligaf grinste wie ein kleiner Junge bei seinem ersten Kirmesbesuch. »Wollen wir doch mal sehen, was die Kallia uns Schönes hinterlassen haben.«
Der Ts!gna und die vier Veteranen der Rashh Udayyin hatten noch keine zehn Schritte ins Innere der Pyramide getan, als die Türöffnung sich mit einem schabenden Geräusch hinter ihnen schloss.
Kapitel 2: Ein Sturm zieht auf
Captain Roderick Sentenza hatte sich seinen fünfzigsten Geburtstag eigentlich völlig anders vorgestellt. Hätte man ihn vor einem Jahr nach seinen Plänen für diesen besonderen Tag gefragt, hätte seine Antwort beispielsweise eine ausgedehnte Feier im Kreise seiner Familie beinhaltet, einen entspannenden Kurzurlaub auf dem idyllischen Planeten Woordak, ein feierliches Abendessen im besten Restaurant von Vortex Outpost oder eine beliebige Kombination dieser Ideen. Mit ein wenig Fantasie wäre ihm auch noch ein Plan B eingefallen, ein Plan C oder ein Plan D. Die Realität aber hatte ihm stattdessen eine Situation beschert, die man noch nicht einmal mit viel gutem Willen als Plan Z bezeichnen konnte.
Sentenza saß mit dem Androiden Arthur Trooid, dem Bordarzt Dr. Jovian Anande und der Bergungsspezialistin An’ta 35–7 im Kreise der Schlechtgelaunten um ein Lagerfeuer, das inmitten einer verfallenen Ruine brannte. Früher einmal musste diese ein prächtiger Sakralbau gewesen sein, der mit den größten Gebets- und Kultstätten der Galaxis hatte konkurrieren können. Der allgemeine Verfall der Infrastruktur des Planeten war aber auch an diesem Tempel nicht spurlos vorbeigegangen. Jetzt schien der Mond durch geborstene Fensterscheiben, und Ungeziefer krabbelte zwischen verwitterten Statuen und verblassten Fresken umher. Große Teile des Gebäudes waren abgerissen worden, um Platz für Wohnraum zu schaffen. Das einst prunkvolle Gemäuer war nur noch ein Schatten seiner damaligen Pracht, so wie alles auf diesem Planeten, den die Einwohner nur unter dem ebenso funktionellen wie langweiligen Namen Kasernenwelt 388 kannten. Sentenza wusste nicht, was schlimmer war – die Tatsache, dass der Planet einen so fantasielosen Namen trug, oder dass es aller Wahrscheinlichkeit nach irgendwo dort draußen noch mindestens dreihundertsiebenundachtzig von der Sorte gab.
Die Besatzung des Rettungskreuzers Ikarus hatte diesen Planeten erst vor Kurzem entdeckt. Sie waren auf ihn gestoßen, weil hier offenbar das Ziel all derjenigen war, die vom rätselhaften Wanderlust-Virus infiziert worden waren. Überall in der bekannten Galaxis hatten Männer und Frauen im besten Alter plötzlich ohne ersichtlichen Grund alles stehen und liegen lassen und sogar ihre gebrechlichen Eltern und hilflose Kinder ihrem Schicksal übereignet. Roderick Sentenza und seine Frau Sonja hatten selbst vorübergehend unter dem Einfluss der mysteriösen Seuche gelitten, bis es dank eines Serums aus den Beständen der Söldnerorganisation Schwarze Flamme gelungen war, die Krankheit einzudämmen. Die mit dem Virus Infizierten hatten auf Dutzenden von Welten wahllos Raumschiffe gestürmt und diese andernorts zu gewaltigen Archen zusammengeschweißt, mit denen sie zu einem unbekannten Ziel aufgebrochen waren. Anande, An’ta und Trooid hatten eine dieser Archen infiltriert, und die Ikarus war dem riesigen Konglomerat aus Raumschiffen bis zu diesem Planeten gefolgt.
Hier hatten sie nun Kontakt zu einer Minderheit unter den Einheimischen aufgenommen, die sich selbst die Schlechtgelaunten nannten. Der weitaus größere Teil der Bevölkerung waren die sogenannten Gutgelaunten. Anande hatte Sentenza gegenüber den Verdacht geäußert, dass es sich bei diesen Leuten möglicherweise um die Nachfahren von Infizierten aus früheren Infektionswellen handeln konnte. Die Schlechtgelaunten schienen dabei einen kleinen Prozentsatz der Einwohner auszumachen, der eine natürliche Immunität gegenüber dem Wanderlust-Virus und dem damit einhergehenden geradezu penetranten Optimismus besaß.
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