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Rettungskreuzer Ikarus Band 047 - Sudekas Traum

Rettungskreuzer Ikarus Band 047 - Sudekas Traum

Titel: Rettungskreuzer Ikarus Band 047 - Sudekas Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom / Andreas Möhle
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großartigen bewussten Steuerung bedurfte. Die gewonnenen Daten waren interessant, komplex, fremdartig und schwer zu verstehen, die Analyse verlangsamte die Denkprozesse des Bewusstseins einmal mehr, zog ohnehin sehr begrenzte Kapazitäten ab.
    Aber es ging besser. Ganz langsam, aber besser.
    Das Bewusstsein fand lange stillgelegte Speicher, reaktivierte obsolete Leitungen, verband Datenströme. Die Energievorräte, in langen Jahren aus geothermischer Energie gespeist, waren ausreichend, aber wenn sie nicht dosiert zum Einsatz kamen, mussten sie das alte, schwache Gespinst zum Einsturz bringen und überlasten.
    Reparatureinheiten wurden aktiviert. Es gab nicht mehr viele. Eine Handvoll. Einige wirkten desorientiert und bedurften der Anleitung. Das Bewusstsein beschloss, die funktionsfähigen Einheiten erst einmal dafür einzusetzen, die nicht funktionierenden zu reparieren. Es würde dauern. Zeit.
    Doch die biologische Präsenz konnte nicht einfach so assimiliert werden. Hier waren höhere kognitive Prozesse erforderlich. Und die Chance musste genutzt werden. Als sich die Präsenz abzuwenden drohte, strengte sich das Bewusstsein das erste Mal seit endloser Zeit wieder richtig an. Steuerimpulse wurden gesendet. Hydrauliken aus ihrem Schlaf gerissen. Ventile platzten. Metall brach. Doch das Schott öffnete sich, nicht einladend, nicht einfach, aber genau zur richtigen Zeit und sprach damit die gewünschte Einladung aus.
    Würde die biologische Präsenz sie annehmen?
    Das Bewusstsein wusste so, so wenig.
    Aber es war auch so, so einsam, dass es dieses Risiko einfach eingehen musste. Wer wusste schon, wann sich wieder einmal eine solche Chance ergeben würde.
    Und ob überhaupt jemals wieder …
     

     
     
    Der Helmscheinwerfer stach einen Lichtzirkel in die Dunkelheit. Sudeka erblickte, was sie erwartet hatte: metallene Wände, tanzender Staub, überall Zeichen des Verfalls. Trotz der Dunkelheit hatte es nichts Bedrohliches, wie sie fand. Sie machte einen Schritt in den Rahmen des Schotts. Nichts tat sich. Hatte sie insgeheim ein Empfangskomitee erwartet? Eine absurde Vorstellung.
    Sudeka kniete sich nieder, griff in ihren Ausrüstungsgürtel und holte einen ordentlich verpackten Klumpen Reparaturmasse hervor. Sie wickelte ihn aus, legte ihn direkt in das Schott auf die Führungsschiene. Sie presste auf eine Wölbung, die Masse wurde weich, verteilte sich etwas, ließ sich von Sudeka in die Schiene drücken, ehe sie hart wurde. Als sie fertig war, nickte sie zufrieden. Nach menschlichem Ermessen würde sich das Schott nicht mehr schließen lassen, außer, jemand entfernte die gehärtete Masse mit schwerem Gerät, und auch das würde Zeit kosten. Natürlich war sie nicht dagegen gefeit, aber sie hatte getan, was sie konnte, um sich den Rückweg offen zu halten.
    Sie holte tief Luft. Dann ging sie weiter.
    Der Gang war leicht abschüssig.
    Sie hob kurz die Sauerstoffmaske an, schnüffelte. Es roch etwas abgestanden, aber die Atmosphäre entsprach den Messwerten; es war die Luft dieses Planeten, lange konserviert, aber unverbraucht. Sie zog die Maske wieder über das Gesicht. Es war nicht nötig, die ungefilterte Luft länger als nötig zu atmen. Sie hatte kein Back-up bei dieser Mission. Scheiterte sie, brach sie sich hier alle Knochen oder vergiftete sie sich selbst, würde niemand je nach ihr suchen oder zur Rettung eilen.
    Das war, wie sie fand, exakt das gleiche Gefühl wie damals, als sie mit der Eminäus aufgebrochen war, um sich ihr eigenes Imperium zu schaffen. Nur sie selbst. Keine Hilfe. Kein Zuspruch. Kein Rettungsnetz und kein doppelter Boden.
    69 Jahre alt war sie nun, und doch fühlte sie sich plötzlich wieder wie 19. Es war ein angenehmes Gefühl, nostalgisch zwar, aber gleichzeitig etwas, das ihr Energie gab.
    Etwas leuchtete voraus.
    Ein Licht. Es blinkte.
    Sudeka kniff die Augen zusammen. Ihr Implantat nahm die schwache Lichtquelle genauer wahr als ihr biologisches Auge, und ja, es war unverkennbar. Sie schritt darauf zu, eine harmlose Lampe, fugenlos in die Wand eingelassen. Als sie diese erreicht hatte, begann ein zweites Licht schwach zu pulsieren. Sudeka drehte den Kopf, machte einen Schritt auf die zweite Erscheinung zu, schaute zurück – das erste Licht war erloschen, dafür begann ein drittes, sich bemerkbar zu machen.
    Nein, das war natürlich kein Zufall. Das war eine Wegweisung. Jemand, etwas, hatte ihre Präsenz wahrgenommen. Jemand hatte ihr die Tür geöffnet. Jemand wies ihr den Weg.

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