Rettungskreuzer Ikarus Band 047 - Sudekas Traum
bescheiden, unaufdringlich, unauffällig. Dass er über genug Mittel verfügte, um das gesamte Haus zu kaufen, ahnte niemand. Dass er das bereits vor einigen Jahren getan hatte, ebenfalls nicht.
Offiziell betrieb er eine kleine Handelsfirma, nur lose mit dem Freien Raumcorps assoziiert. Seine Büros in diesem Gebäude beschäftigten sieben Mitarbeiter, von denen nicht einer wusste, wer Pratt wirklich war, nicht einmal jene, die seit Jahren hier arbeiteten. Eine gute Tarnung, denn die kleine Firma machte echte Geschäfte mit echten Kunden. Jetzt, am späten Abend, war er der Einzige im Büro, und das war meist der Zeitpunkt, an dem Pratt sich um seine wahren Interessen kümmerte.
»Sir, Lordan ist eingetroffen.«
Die sanfte Stimme der Sekretariatsautomatik erinnerte ihn wieder an seine Pflichten. Er nickte in die Richtung, in der er die unsichtbare Kamera wusste. »Er soll hereinkommen.«
Lordan war einer seiner besten Männer. Gut vernetzt. Eine Spürnase. Pratt hielt große Stücke auf den Mann. Sehr fähig. Er würde ihn zu gegebener Zeit beseitigen müssen.
Lordan war schlank, von wenig markantem Äußeren. Er betrat das Büro ohne Eile, setzte sich ohne Aufforderung, schlug die Beine übereinander, sah seinen Chef an und sagte dann ausdruckslos: »Wir haben eine Spur.«
Die Details interessierten Pratt nicht.
»Eine gute Spur?«
Lordan zuckte mit den Schultern.
»Wir haben nur die eine.«
»Und?«
»Eine Welt namens Fagor IV, glauben wir.«
»Glauben.«
»Ich kann mich dort umsehen.«
Pratt nickte. Das machte Lordans Qualitäten aus. Er war sich für keine Aufgabe zu schade.
»Wer weiß davon?«
»Ein oder zwei meiner Kontakte.«
»Beseitigen.«
»Ist bereits erledigt.«
»Also, nur wir beide?«
Lordan sagte nichts. Er hatte die Frage ja bereits beantwortet.
»Dann fliegen Sie los. Ihr eigenes Schiff?«
Lordans kleine Jacht war kein Spielzeug. Es war für alle Eventualitäten ausgerüstet, ein klassisches Einsatzfahrzeug eines gefährlichen Agenten. Und Lordan hing an dem Raumfahrzeug, seine einzige Schwäche, wenn man so wollte.
»Ich würde es vorziehen.«
»Ich will, dass sie stirbt.«
»Natürlich.«
»Ich will einen Bericht. Ich will Beweise.«
»Reicht der Kopf?«
Pratts Augen verengten sich. »Nicht melodramatisch werden, mein Freund.«
Der Mann machte eine Handbewegung. »Beweise, okay.«
Er erhob sich. »Noch etwas?«
»Tun Sie Ihre Arbeit.«
Der Mann lächelte. »Tu ich das nicht immer?«
Ohne auf die Antwort zu warten, wandte er sich ab und ging. Pratt sah ihm nach, seufzte, schüttelte den Kopf.
Ja, der Zeitpunkt rückte näher, da würde Lordans Gefährlichkeit seine Nützlichkeit übersteigen.
Aber jetzt noch nicht.
Erst musste Sudeka Provost sterben.
Die Kommunikation erwies sich als schwierig.
Noch schwieriger wurde sie dadurch, dass aus dem unsichtbaren Lautsprecher zwar immer mehr verständliche Worte drangen, diese jedoch absolut keinen Zusammenhang ergaben. Es waren willkürliche Begriffe. Wer auch immer da sprach, hatte die Bedeutung dieser Begriffe nicht erfasst.
Zunehmend gestört fühlte sich Sudeka auch durch den umherwieselnden Tausendfüßler, der wieder aufgetaucht war. Nach einigen Minuten wurde er durch einen Artgenossen unterstützt. Beide Maschinen ignorierten Sudeka – sie umkrabbelten sie weitläufig, waren sich also zumindest irgendwie ihrer Gegenwart bewusst – und begannen manchmal vor, manchmal hinter den Wänden mit Arbeiten. Ihr Schnarren, Knacken und Summen irritierte Sudeka, und dass die blecherne Stimme aus dem Lautsprecher nur dummes Zeug redete, half ihr nicht, die Ruhe zu bewahren.
»Exploration!«, hörte sie.
»Ja, wir haben dich im Zuge einer Exploration entdeckt.«
»Rohstoffe!«
»Ja, wir sind immer auf der Suche nach neuen Vorkommen.«
»Leitstelle!«
»Die Droiden und ebenso die Sonden werden von einer Leitstelle geschickt.«
»Datentransferprotokoll!«
Sudeka stöhnte leise und schüttelte den Kopf. Es gab nicht das geringste Anzeichen dafür, dass die Entität hinter der Stimme ihr auch nur zuhörte. Egal, wie sie die wahllosen Äußerungen kommentierte, es kamen immer nur weitere zusammenhanglose Antworten. Dies war kein Gespräch, es war nicht einmal eine aktive Suche nach einer Verständigungsgrundlage, es war …
Etwas schnarrte, die beiden Tausendfüßler kamen zum Vorschein, blieben einen Moment vor der halb geöffneten Tür stehen, ehe sie durch den Spalt krabbelten. Dann ein Knacken, laut,
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