Rettungskreuzer Ikarus Band 050 - Vince
er über die Deckung, seinen Rucksack mit medizinischem Material auf dem Rücken, und begann, seine eigentliche Arbeit zu tun.
Sentenza folgte ihm. Die Verwundeten waren zahlreich, Rekruten wie Sudekas gleichermaßen. Die Unverletzten halfen, die schwierigen Fälle zur sofortigen Behandlung auszusortieren. Sentenza tat, was er konnte, und seine eigene Ausbildung als Rettungssanitäter half ungemein. Er behandelte Sudekas wie auch Rekruten, und es wurde nur nach der Schwere der Verwundungen vorgegangen, nicht nach Loyalitäten. Sentenza bezweifelte, dass die Rekruten das zu schätzen wussten. Sie hatten nicht einmal Raum für Kriegsgefangene und keine Vorräte, sie dauerhaft zu versorgen. Alle, die noch gehen konnten – und das waren viele, denn das Virus verlieh ihren Körpern Widerstandskraft und hohe Regenerationsfähigkeiten –, würden sie zurückschicken, um irgendwann möglicherweise wieder gegen sie kämpfen zu müssen.
Absurd. Absolut absurd.
»Rod!«
Sentenzas Kopf fuhr hoch.
»Guck dir den mal an!«
Der Captain folgte Anandes Stimme.
Er sah den Arzt über einen übel zugerichtet aussehenden Rekruten gebeugt. Er hatte ihn offenbar bereits behandelt, der Brustkorb des Mannes senkte sich regelmäßig, und er sah aus, als würde er friedlich schlafen.
»Der sieht seltsam aus.«
Sentenza beugte sich über den Verletzten. Er war offensichtlich mehrfach getroffen worden, aber mit geübtem Blick erkannte der Captain, dass viele der Wunden nur oberflächlich waren und lebenswichtige Organe verfehlt worden. Ein halber Arm fehlte ihm. Es hatte den Mann niedergerissen, ja, und er hatte wohl das Bewusstsein verloren, die vom Wanderlustvirus befallenen Soldaten litten jedoch kaum unter Schocks wie normale Lebewesen, die auch bei weniger starken Verletzungen zum Tode führen konnten. Dieser Rekrut hier würde erwachen und, seine Wunden versorgt, nach einer gewissen Rekonvaleszenz wieder in den Kampf ziehen können. Das Virus half sogar beim Nachwachsen von Gliedmaßen. Aber da Infizierte durchgängig Beidhänder waren – oder Noch-mehr-Händer, je nach Anzahl der Arme –, war der Verlust des rechten Arms nicht damit verbunden, dass dieser Verletzte Probleme beim Führen einer Waffe mit der linken Hand haben würde.
»An dem Mann ist herumoperiert worden.«
Sentenza nickte. Der entblößte Körper des Bewusstlosen war von Operationsnarben übersät, und das war seltsam genug: Selbst die medizinische Technik, die den Rekruten zur Verfügung stand, vermochte zerschnittene Haut ohne dauerhafte Beeinträchtigung der Epidermis wieder zu schließen. Nur bei sehr flüchtiger Behandlung hinterließen Eingriffe eine Spur. Dies hier sah so aus, als hätte jemand es für richtig und gut befunden, die Spuren seiner Eingriffe weiterhin sichtbar zu machen.
»Der Mann ist auch später befallen worden, er ist nicht als Rekrut geboren worden«, erklärte Anande. »Der Transformationsprozess ist abgeschlossen, aber noch relativ frisch, wie bei den Leuten auf der Arche, die wir begleitet haben.«
»Woher kommt er?«
Anande zuckte mit den Achseln.
»Wir können ihn befragen. Aber er hatte eine böse Kopfwunde. Ich habe unter seiner aufgeplatzten Kopfhaut das hier gefunden.«
Anande hielt so etwas wie eine extrem dünne Folie hoch.
»Was ist das?«
»Eine biologische Platine. War mit dem Gehirn verbunden, durch Mikrofilamente. Die haben sich aufgelöst. Wohl dazu geeignet, Impulse in das Gehirn zu senden.«
Sentenza runzelte die Stirn.
»Wozu haben die Rekruten so was?«
»Haben sie nicht. Ist noch nirgends aufgefallen oder erwähnt worden. Wozu auch? Das Wanderlustvirus übt vollständige Kontrolle aus, wenn autorisiert angesprochen. Die wenigen Immunen wären den Aufwand nicht wert, sie zu operieren. Sie werden ja nicht einmal richtig gejagt. Sie sind irrelevant.«
»Wir sollten den Mann befragen, wenn er aufwacht.«
»Das führt zu nichts.«
Der Arzt hatte recht. In Gefangenschaft ihrer Feinde zeigten sich die Rekruten ausgesprochen bockig. Es musste etwas mit ihrer mentalen Programmierung zu tun haben. Ein Grund mehr, alles daranzusetzen, autorisierte Anordnungen zu senden, die den Rekruten nur noch eines befehlen würden: frei zu sein.
»Was machen wir mit ihm?«
»Er braucht noch etwas …«
»Ich erledige das. Da drüben gibt es Verletzte.«
Sentenza sah hoch.
Eine Sudeka hockte sich neben den Mann, selbst den rechten Arm in einer Notschlinge, bedeckt mit Lappen von Synthfleisch, das sich in die Wunden
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