Revelations
versuchte sich auszumalen, wie der Krieg zwischen Rangern und Vultures wohl verlaufen wäre, wenn die Sicarii ihnen nicht dazwischengefunkt hätten. Je länger Dog jedoch ihre verspannten Muskeln knetete, desto ferner rückten ihre Alltagssorgen, bis sie sich seinen starken Händen schließlich vollkommen ergab.
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Als sich die Sonne viele Stunden später dem westlichen Bergrücken zuneigte, kehrten Angel und Dog sichtlich entspannt zu ihren Kameraden zurück. Butch hatte das Feuer bereits gelöscht und Kim die Spuren des Lagers weitestgehend beseitigt. Nachdem Angel den ganzen Tag über keinerlei feindliche Aktivität entdecken konnte, befahl sie ruhig und zuversichtlich den Aufbruch zur letzten Etappe in den unbekannten Norden.
Die Männer wechselten sich wie an den Tagen zuvor mit Sharons Trage ab. Äußerlich ging es ihr den Umständen entsprechend gut, aber sie sollte ihre Kräfte weiterhin schonen. Beinahe pausenlos entschuldigte sie sich für die Belastung, die ihre unüberlegte Expeditionsteilnahme für das gesamte Team mit sich gebracht hatte. Kim lief mit Faith vorneweg, während Angel und ihre vor Stolz strotzende Schülerin die Nachhut übernahmen. Cassidy hatte ihrem Bruder von der unerwarteten Entwicklung erzählt. Gemeinsam schöpften sie nun Hoffnung, Faith in den Augen der Ranger rehabilitieren zu können.
Im Licht des Vollmonds bei sternenklarer Nacht fiel es der Gruppe nicht schwer, den Bahnschienen zu folgen. Mit gefüllten Feldflaschen und den angenehmen Temperaturen hielt schnell eine gewisse Abenteuerromantik Einzug, die nicht einmal die wilden Tiere stören konnten, die sie den ganzen Weg über neugierig zu beobachten schienen.
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In den frühen Morgenstunden erreichten sie den letzten Tunnel, der sie vom Feindesland trennte. Erschöpft von der anstrengenden Wanderung ordnete Angel ein paar Stunden Schlaf an. Es machte ohnehin keinen Unterschied, ob sie bei Tag oder Nacht durch die finstere Röhre marschieren würden.
Die Männer hatten den ganzen Tag schwer tragen müssen und durften alle gemeinsam rasten, die Frauen wechselten sich in Zweierteams beim Wache halten ab. Kim und Faith übernahmen die erste Schicht, aber kaum waren die anderen eingeschlafen, verließ Faith ihren Posten und meinte, sie werde sich den Eisenbahntunnel etwas genauer ansehen. Kim hatte eigentlich dieselbe Idee äußern wollen, fand sich aber schulterzuckend damit ab, dass Faith ihr zuvorgekommen war. Kurz darauf verschwand sie im Schatten der Betonröhre und kehrte erst nach drei Stunden wieder zurück.
Sie wirkte ungewöhnlich abgekämpft und verschwitzt, als hätte sie einen Marathonlauf hinter sich. Den Schmutz auf ihrer glänzenden Haut erklärte Faith mit dem eingestürzten Tunnel, der ihnen nach gut zweieinhalb Kilometern den Weg versperren würde. All ihre Versuche sich hindurchzukämpfen waren angeblich gescheitert. Niedergeschlagen akzeptierte Kim die düstere Nachricht. Sie hatte keinen Grund an der ausgesprochen fähigen und hilfsbereiten Amazone zu zweifeln. Stattdessen verließen sie gemeinsam die dunkle Röhre und untersuchten im grellen Tageslicht die Felswand nach geeigneten Aufstiegsmöglichkeiten.
Angel nahm im Zuge der Wachübernahme die Berichte von der Blockade frustriert zur Kenntnis. Sie glaubte Faith ohne eigene Überprüfung, doch die Aussicht auf die anstehende Klettertour ließ ihr förmlich das Blut in den Adern gefrieren. Nur Cassidy warf Faith misstrauische Blicke zu, die von ihr nicht unbemerkt blieben. Die Assassine dachte jedoch nicht mal im Traum daran, sich vor der übermütigen Teenagerin zu rechtfertigen. Stattdessen legte sie es scheinbar darauf an, ihre Sorgen zu vergrößern, indem sie nachdenklich in den finsteren Tunnel blickte, wann immer Angel und Kim die beiden aus den Augen verloren. Erst als Cassidy selbst nachsehen wollte, hielt sie Faith mit einem ernsten Kopfschütteln zurück. Gegen ihren Willen zu handeln hätte bedeutet, dass die gesamte Sache aufgefallen wäre. Daher nickte Cassidy lediglich und hoffte, einmal mehr das Richtige zu tun.
Im Laufe ihrer Wache lauschte sie angestrengt in den Eisenbahntunnel hinein und rechnete im Stillen mit einem bevorstehenden Angriff der Sicarii. Die Tatsache, dass sie Faith noch immer nicht über den Weg traute, erfüllte sie innerlich mit Stolz, denn sie war überzeugt, dass sie genau das tat, was Angel von ihr erwartete. Sie ließ der geheimnisvollen Bacchae etwas Spielraum, wie einem Hund an der Leine,
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