Revierkönige (German Edition)
Geschäft.“
„Und? Wie geht´s euch so?“
„Wie soll´s schon gehn? Wie immer.“
„Wer war denn so alles da?“
„Na alle waren da. Karl und Peter Reddig, kennße ja auch noch, Freddy, der Manni, Skin Tom ..., hat übrigens nach dir gefragt. Wenn´s was zu saufen gibt, kommse alle. Zwölf Mann waanwa bestimmt, wo´ Migge?“
„Fuffzehn oder zwanzich. Getanzt hamwa. Rät rät Waaaain!“, grölte Migge. „Wa lustig.“
„Hasse was verpasst, Spargel. Aber du willst ja mit uns nix mehr zu tun haben.“
„Ach komm, Hansi, ich vergess doch die alten Kumpels nich.“ Er nahm eine Schachtel Camel und ein Bröckchen aus seiner Jeansjacke. Migge beobachtete ihn wie ein Raubtier. In zwei Sekunden konnte er aus dem Stand hochspringen und einem Kerl, der ihn um zwei Köpfe überragte, mit der Stiefelspitze den Kiefer ausrenken. Spargel war dabei gewesen, hatte es mit eigenen Augen gesehen. Er biss das Bröckchen durch, „hier, für dich“, und warf die Hälfte Richtung Hansi, der es wider Erwarten mit der rechten Hand schnappte. Eine Reaktion hatte der Kerl, da konnte man nur staunen.
„Das iss aber nett. Danke, Weihnachtsmann.“
Spargel erwärmte die andere Hälfte mit einem Feuerzeug. Er wirkte ruhig und gelassen, nahm aber jede Schwingung im Raum wahr, selbst die kleinsten feindlichen Spurenelemente. Man musste die erste Hürde überwinden, dann stellte es sich schon wieder ein, etwas, das Früher und Jetzt verband und das nicht unbedingt etwas mit Freundschaft, am wenigsten mit Sympathie, zu tun hatte. Es ging vielleicht tiefer: man war gemeinsam durch die Scheiße gewatet. Auch wenn der Spargel abtrünnig geworden war, er war immer noch der Spargel, und der war früher echt extrem, was man da alles erlebt hatte, so was vergaß man nicht. Er hatte seinen festen Platz im Gefüge, darauf musste man bauen. Immer wieder von neuem. Er reichte Migge die Tüte. „Da, rauch an.“
Migge nahm die Tüte zwischen seine seit Tagen ungewaschenen Finger und grinste. Er hatte etwas Verschlagenes im Gesicht, was er vielleicht schon immer hatte, schon als Kind. Er war bestimmt einer von denen, die mit schmutzigem Gesicht und angetrockneten Rotzstreifen unter der Nase herumliefen, einer von denen, die mit besonderer Grausamkeit kleine Mädchen in den Magen boxten und mit einer Bande auf der Suche nach Opfern herumzogen. Heute waren die Opfer vorwiegend türkische Mitbewohner oder solche, die seiner Meinung nach so ähnlich aussahen, auch mal Obdachlose. Seinen Vater und seine Mutter kaum noch, weil er sie so gut wie nie sah. Migge hatte seinen Alten schon ein paarmal krankenhausreif geschlagen. Er bot dann dem Spargel an, seinem Stiefvater auch mal ne Lektion zu erteilen. Nach einigem Hin und Her lehnte Spargel aber dankend ab, er traute sich nicht so richtig. Die Sache war nun, dass Migge ihm einen Gefallen tun wollte, dass Spargel ihm aber keine Gelegenheit gegeben hatte, es auch zu beweisen. Das Angebot stand und bis zum heutigen Tag war da noch was offen. Bei allem Respekt, den man sich im Laufe der Jahre verschafft, bei all dem Spaß, den man zusammen hatte, kam doch hin und wieder eine kleine Missstimmung auf. Trotz dieser Sache fand er, dass man bei Skin-Hansi vorsichtiger sein musste. Migge war zwar gewalttätig, aber notfalls konnte man ihn belabern – vorausgesetzt, man verstand das. Der hatte sogar hin und wieder weiche Momente, auch wenn man denen nicht hundertprozentig trauen konnte. Hansi aber, der war ein böser Junge. Bei dem spürte man was, unterschwellig, ein ständiges Summen wie es von Starkstrommasten ausging. Spargel war froh, dass er Skin-Hansi nicht zum Gegner hatte.
„Wenichstens hasse wieder ´n anständigen Haaschnitt!“, meinte Migge und zog genüsslich den Rauch ein. Er reichte den Joint an Hansi weiter.
Spargel nickte. „Ich hab´s nich mehr ausgehalten. War auch nich so geeignet für meine Visage, und ewig die Fransen im Gesicht, das ging mir echt auf´n Geist. Und beim Friseur wusstense immer nich, wiese schneiden sollten. Ich hab mir echt den Mund fusselig geredet, aber keiner hat gerafft, wie ich das haben wollte. Irgendwann hattich´s leid und bin zum Frauenfriseur gegangen. Da wusstense zwar, wiese mir die Haare schneiden sollten, aber da kam ich mir dann doch doof vor zwischen den ganzen Weibern. Und dann dacht ich mir, ne, also irgendwo iss die Grenze, sonst fang ich noch an, mit den Küchenrezepte auszutauschen.“
Das war doch wieder typisch Spargel. Hansi und Migge
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