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Revierkönige (German Edition)

Revierkönige (German Edition)

Titel: Revierkönige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Gerlach
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noch.“
    Er kramte einen zerknitterten leeren Schein raus, nahm einen Kugelschreiber und setzte sich. Er dachte nach. Er machte ein Kreuz, sah zum Fenster raus und machte das nächste Kreuz.
    Migge schüttelte den Kopf. „Keeah, ej! Jetz mach endlich deine Kreuze. Wat überlechße denn die ganze Zeit?“
    „Jetz lass mich doch maa!“
    „Da überleecht der aunoch stundenlang! Iss doch sowieso egal. Alles iss Zufall. Da kannße Kreuze machen wiee willß. Im Leben iss alles Zufall, lass dir dat von Vatter Migge sagen.“
    Nach etwa fünfzehn Minuten hatte Hansi seine Zahlen ausgebrütet und die drei Freunde verließen eilig die Wohnung. Volker-Auge schlief unter dem Fenster weiter, hörte nichts, wusste von nichts. Aber er wusste schon alles. Das Leben hatte keine Überraschungen mehr für ihn. Spargel warf einen letzten Blick auf ihn und das Herz wurde ihm schwer. Es hing wie ein Gewicht in seiner Brust. Die Vergangenheit zog nach unten.
     
    Im Schreibwarenladen in der Burgholzstraße, fünf Minuten von Skin-Hansis Domizil entfernt, stand Herr Röhmer hinter der Kasse, wie immer in seiner dunkelgrünen Strickjacke, die ihm seine Frau vor ungefähr zwanzig Jahren gestrickt haben musste. „Gezz wird´s aber knapp. Wollte schon zumachen, aber meine Frau sacht, nee, nee, warte noch, der Hans-Joachim kommt bestimmt noch.“
    Hansi war fast außer Atem, sein Gesicht gerötet. „Hatte noch Besuch. Hier issa.“ Er legte den Lottoschein auf die Theke.
    Als der Strickjacken-Röhmer den Zustand des Lottoscheins sah, schüttelte er energisch den Kopf. „Also so geht das nich, mein Junge. Der iss ja total verknüddelt und da unten eingerissen, siehste hier? Den füllste noch mal aus. Das ist ein Dokument, Hans-Joachim, ein Dokument!“
    Bevor Hansi widersprechen konnte, reichte ihm der Röhmer einen jungfräulichen, knitterfreien Schein. Hansi machte wahllos sechs Kreuze, auch wenn das gegen seine Prinzipien ging, aber er konnte auf dem neuen Schein nicht die gleichen Zahlen machen und die anderen warteten. Es ging auch gegen seine Prinzipien, sich von irgendjemandem etwas sagen zu lassen, aber beim alten Röhmer machte er eine Ausnahme. Erinnerte ihn irgendwie an Opa Köster, der mit dem Schrebergarten, wo er früher immer im Sommer war. Spargel stand die ganze Zeit hinter ihm und zog die Nase hoch. Migge wartete draußen und rauchte und trat mit dem Fuß gegen das Türholz. Nicht aus böser Absicht, man sollte nur hören, dass er wartete und sich langweilte. Hansi zog den letzten 10-Mark-Schein aus seinem Portmonee und kaufte noch ein Paket losen Tabak.
    „Ach, und ich hätte gerne für 30 Pfennig Brausebommbongs“, sagte Spargel mit einer Stimme, die ihn um 60 Zentimeter schrumpfte. Er wischte sich mit dem Handballen über die laufende Nase. Der Röhmer füllte ihm das Papiertütchen mit Brausetalern, Olaf legte 30 Pfennig auf die Theke. Hansi konnte über so was Beklopptes nur noch den Kopf schütteln.
    Die Burgholzstraße zog sich in die Länge. Es war eine langweilige Straße, diesig wie der Himmel, eine Straße, die einen zur Verzweiflung bringen konnte. Migge machte ein Gesicht, als hätte er Magenschmerzen, spuckte alle zehn Meter auf den Boden und stapfte mit seinen dürren Beinen unlustig Meter für Meter ab. Spargel zerkaute Brausebröckchen und starrte geradeaus in die Unendlichkeit der Stadt. Stadt, Stadt. Das Saure lenkte ihn von etwas ab, was er denken wollte.
    „Wenn ich im Lotto gewinn, kauf ich mir ´n Schrebbergaaten“, sagte Hansi.
    „So siehße aus!“, meinte Migge. „Ich dachte, ich wär dein Freund. Wenne im Lotto gewinnst, musse miia die Hälfte schenken. Und dann machenwer ein drauf. – Oder mach doch wasse willß!“
    Eine Weile gingen sie schweigend. Es war sehr traurig.
    „Ich hab kein Bock mehr zum Motte“, sagte Migge plötzlich an der nächsten Ampel, „ich geh nach Hause.“
    „Ich komm mit. Eigentlich habbich auch kein Bock mehr“, sagte Hansi.
    Spargel, den Mund voller Brause, blickte ganz konfus. Er hatte sich eigentlich mit der Situation „Mit-Hansi-und-Migge-zum-Motte-gehen“ abgefunden, hatte sich in ihr eingerichtet, dieses Talent besaß er. Und jetzt, bei Rot an der Ampel, zerbrach die Gruppe schon wieder, das hatte etwas Ungutes.
    „Dann grüß ma schön den Motte“, sagte Hansi, „und duu lass dich ma wieder blicken.“
    Dieses Zusammentreffen wurde nicht auf die richtige Weise beendet, das spürte der Spargel jetzt ganz deutlich. Dagegen musste er etwas tun.

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