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Revierkönige (German Edition)

Revierkönige (German Edition)

Titel: Revierkönige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Gerlach
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denn wahr!“
    Nun klopfte jemand energisch gegen die Tür. Hansi schrie, dass sich sein sommersprossiges, blondes Gesicht rot färbte. „Ihr happtse wohl nich mehr alle! Ich scheiß gerade!“
    Es hörte auf zu klopfen und Hansi vernahm das dünne Stimmchen von Adolf: „Schsch...on gut, Mann, ddann wart ich eben.“
    Hansi ließ sich Zeit, spuckte noch mal kräftig aufs Leder und polierte nach. Fast hätte er vergessen, sich den Hintern abzuwischen, als er endlich aufstand.
    „Heil! Du hast vvvielleicht ne Verdauung!“
    „Wieso kommße so früh. Hasse wenigstens was zu schlucken mitgebracht?“
    „Nee, hab keine Kohle.“
    „Dann geh arbeiten.“
    „Ggibt keine Aaaa ....“
    „Jaaa, wissenwer alles. Aber ich maloch jeden Tag auffe Baustelle. Du bist einfach nur faul und doof, Adolf!“
    Er holte eine Dose Bier aus dem Kühlschrank und drückte sie Adolf in die Hand. Es war immer das Gleiche, die gleichen Phrasen, seit Jahren, es gab nichts anderes, man wollte nichts anderes, und bei Skin-Hansi hatte sich das eingestellt, was die unweigerliche Folge immer gleicher Reize war: Abgestumpftheit. Es war wie mit den Dosensuppen. Aber es gab Dinge, die machten ihn wütend, zum Beispiel wenn Adolf zu stottern begann. Dann zog der auch noch ne Fleppe, weil das Bier lauwarm war, das Bier, das er gekauft und hierher geschleppt hatte.
    Adolf hieß eigentlich Benjamin Schneider, war hellblond und schmächtig und hatte so gar nichts gemein mit seinem großen Vorbild. Er war erst vor einem Jahr zu den Skins gestoßen. Es kamen immer mehr Hosenscheißer wie dieser dazu. Schwach auf der Brust, aber ein großes Maul, wenn die anderen dabei waren. Die Pimpfe meinten, die richtigen Klamotten anhaben und ein bisschen krakeelen und Angst einjagen machte sie zu starken deutschen Jungs. Aber wenn´s darum ging, mit aufzumischen, hielten sie sich zurück, weil sie Angst hatten, dass ihnen einer in die Eier tritt. Was wussten die schon? Mann, vor ein paar Jahren noch, da war jedes Wochenende was los. Mit zehn, zwölf Mann ne Bude gestürmt, alles kurz und klein geschlagen, auf Konzerten randaliert, Linksdemos gestört. Da hatte man Federn gelassen, für den Spaß seinen Preis gezahlt, aber das gehörte dazu. Gebrochene Rippe, Eckzahn ausgeschlagen, und leider auch die hässliche Narbe, die sich quer über seine rechte Stirnhälfte zog. Wenn Hansi wütend wurde, lief sie rot an, wie ein Mahnmal. Er erinnerte sich nur ungern daran, wie er dazu gekommen war. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er sich klein und jämmerlich gefühlt, einer der am Boden lag, von drei griechischen Männern gleichzeitig bearbeitet. Da hatte er den Hass kennengelernt, obwohl er genau wusste, dass er seine Prügel zu Recht bezog. Paradoxerweise verstärkte das seinen Hass. Später war er selbst einer von dreien oder mehreren, das schlechte Gewissen mit Füßen tretend. Zugegeben, es gab einem ein geiles Gefühl, manchmal, alles rauskloppen, liefen ja genug Kanacken rum, und Asylanten brauchte man hier schon gar nicht. Wenn man da ein bisschen aufräumte, wurde man von höherer Stelle noch dafür gelobt. Hatte er doch selbst auf der Bullenwache erlebt, mehr als einmal, durfte man bloß nicht laut sagen. Die lustigen Oi!-Zeiten waren eben vorbei – saufen und tanzen und Fußball spielen. Gegen die türkische Stadtmannschaft hatten sie auch öfter gespielt, Sport vereint, heißt das. Oi! war nur noch ein Tattoo auf dem rechten Oberarm, genau wie beim Spargel. Sie hatten es sich zusammen machen lassen. Irgendwann ging man einen Schritt weiter und wurde das, was man war: einer, vor dem man Angst hatte. So einer würde der feige Pimpf nie werden. Jetzt saß er da und trank warmes Bier, weil er zu früh gekommen war, und wartete auf Papa Migge. Migge hatte nämlich Benjamins Erziehung in die Hand genommen, seit er sich zu Hause, eingefleischtes SPD-Territorium, kaum noch blicken ließ.
    Hansi warf einen bedauernden Blick auf den Berg ungespülten Geschirrs, die Mülltüten. „Mach dich nützlich, Adolf, und bring ma den Abfall runter.“
    „Hä?“
    „Ich hab gesacht, du sollst ma den Abfall runterbringen. Oder was glaubße, wode hier biss? Im Hotel?“
    Adolf trollte sich mit drei stinkenden, zum Platzen vollen Tüten. Hansi ließ warmes Wasser ins Spülbecken laufen, warf achtlos das Besteck hinein und stapelte darauf die Teller und zwei Töpfe. Der zweite Topf passte nicht mehr rein. Er besah ihn sich genauer und stellte fest, dass man den mit nichts mehr

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