Revierkönige (German Edition)
habbich mich echt gefragt, ob ich da noch Bock drauf hab auf die Dealerei. Damals war das alles ganz lustig, aber heute? Außerdem muss ich mir ne Wohnung suchen, ich kann ja nich immer beim Motte bleiben. Der würd zwar nie was sagen, aber ich will dem seine Gutmütigkeit ja nich überstrapazieren. Dann kommt auch dauernd seine Freundin mit dem Kind, da hau ich schon immer ab. Ich hab so das Gefühl, die wollen zusammenziehen. Jedenfalls will ich endlich ne eigene Wohnung, ich werd sonst echt depressiv. Ich hab was in Aussicht, das könnte sogar klappen. Ich muss denen nur noch meinen neuen Arbeitsvertrag vorlegen. Netter junger Mann mit regelmäßigem Einkommen blabla.“
Er sog an der Pfeife bis es – Berts Schweigen übertönend – im Wasserbehälter gurgelte und sich Rauchschwaden bildeten. Spargel blies den Rauch genüsslich aus. „Nächsten Montag fang ich bei Schulte Heimwerkerbedarf anner Bornstraße an.
„Ach nee, echt?“ Die Neuigkeit riss den Bert aus seiner Lethargie. Er richtete seinen bestimmt nicht vom Arbeiten krummen Rücken auf. Da kam richtiges Leben in diesen Körper. „Das iss ja toll“, sagte er nur, wobei, wenn man es raushören wollte, ein kleines bisschen Missgunst mitschwang.
„Find ich auch“, meinte Spargel und grinste seinen alten Freund Bert offen an.
„Klar kannste kommen“, sagte Martina, „ich hab gerade eingekauft, ich mach uns dann später was zu essen.“
Spargel schloss seine Haustür ab und trat in die Nacht. Wind und Feuchtigkeit empfingen ihn. Er zögerte kurz, ob er wirklich zu Fuß laufen sollte. In seiner Vorstellung wurde die Strecke lang und eintönig. Dann dachte er aber, man lief zu Fuß, man benutzte seine zwei Beine, um zu einem bestimmten Punkt zu kommen, das war ihre Funktion, und die Straßen ziehen sich eigentlich nur so langweilig dahin wie man sich fühlt. Meistens fühlte man sich so – öde und abgestumpft vom ewig gleichen Nicht-Schönen, man verschmolz mit seiner Umgebung und prägte das Bild dieser Stadt mit. Mit gutem Jazz auf den Ohren legte Olaf Keune die Strecke in einer knappen halben Stunde zurück. Es nieselte, er empfand die Nässe auf seinem Gesicht als angenehm. Sie kühlte seine heißgelaufenen Gedanken. Diese Gedanken brachten ihn heute nicht weiter, denn sie kamen immer nur bis zu einer bestimmten Stelle und sparten eine tiefer liegende, unangenehme Empfindung aus. Er wollte keine Worte dafür finden, wozu auch? Er war nur müde vom ewigen Zuschütten der Traurigkeit.
Als er den modrigen und zugleich frischen Geruch des Kanals wahrnahm, stand er bereits vor der altbekannten schmutzigen Fassade. Der Besitzer versprach seit drei Jahren, das Haus noch in diesem Jahr streichen zu lassen. Als er auf den Klingelknopf drückte, kam es ihm vor, als wären erst ein paar Tage vergangen, nicht ein Jahr. Durch die Sprechanlage ertönte ein rauchiges „Komm hoch!“. Sein Herzrhythmus verlief in ruhigen Bahnen.
Als er die Wohnung betrat, drang Wasserdampf aus dem Badezimmer und erfüllte den Korridor. Es herrschte subtropisches Klima in diesem Wohnungsabschnitt. Er zog sofort seine Jacke aus. Ihre Haare waren noch nass, dunkel und strähnig fielen sie um ihr leicht geschminktes Gesicht. Martina trug schwarze Jeans und ein weißes Herrenhemd. Ihre hellhäutigen, festen Arme darunter strömten einen Geruch nach Niveamilch aus. Auf bestimmte Dinge konnte man sich noch verlassen, das ließ Olaf Keune lächeln, mehr ironisch als liebevoll.
„Na, Cowboy.“ Sie ging langsam auf ihn zu, berührte seinen Arm, sie küssten sich. Er hielt sie einen Moment fest.
Er betrat das Wohnzimmer und blieb überrascht stehen. „Oh, hier hat sich ja einiges verändert.“
„Ja, ich hab mein 13. Monatsgehalt bei Ikea gelassen. Ich konnte diese zusammengewürfelten Möbel nich mehr sehen.“
Eine schreiend blaue Couch, ausziehbar, dazu passend ein Glastisch mit verchromten Füßen, graue Schrankwand, schwarzer kühler Stuhl, der nur so rumstand. Sah aus, als hätten sie eine Seite aus dem Katalog direkt hier rübergebeamt.
„Hmm, sieht gut aus“, sagte er, sich umsehend. Das fand er ganz und gar nicht, aber der Zynismus alter Zeiten wollte nicht aufkommen, war auch gar nicht angebracht, Martina gefiel es eben. Und es gab ja wirklich Schlimmeres. Sie legte ihm einen Brösel hin.
„Da, haste was zu tun, wenn ich die Schnitzel mache.“ Sie sahen sich an. „Ich weiß ja nicht ...“, meinte Martina etwas zaghaft, „rauchst du überhaupt
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