Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)
den noch immer mit grünem Laub bestückten Zweigen der Weide hindurch. Als auch sie nach den Ästen griff, berührte Auriel versehentlich Rhavîns Finger. Gleich einem Blitz zuckte ein Reiz durch ihren Körper, wie sie ihn nie zuvor gespürt hatte. Die Zauberin fühlte sich, als würden Libellen in ihren Adern kreisen, Glühwürmchen um ihre Eingeweide sirren. Ihre Wangen wurden rot. Erneut hatte sie das Gefühl, der betörende Duft des Elfen würde sie umgeben wie zwei schützende Hände, sie leiten und führen.
Auriel schenkte Rhavîn ein Lächeln und schritt dann zur Gänze unter den Zweigen hindurch, wo sich ihr ein wundervoller Anblick präsentierte. Zwischen mehreren großen Trauerweiden lag ein See mit silbernem Wasser, der das Licht der Sonne glitzernd widerspiegelte – die Lichtstrahlen malten funkelnde Punkte und Streifen auf die Bäume am Ufer. Die Böschung war mit Gräsern, Flechten und Pilzen bewachsen und einige große Findlinge ragten zwischen den Pflanzen empor.
„Das ist wunderschön“, hauchte Auriel. Sie konnte ihren Blick kaum von diesem zauberhaften Ort wenden, doch Rhavîn gebot zur Eile.
Schließlich entschloss sich die junge Zauberin, dem Elfen zu erzählen, was er zu wissen begehrte.
„Rhavîn, auch wenn ich kaum etwas über die Elfen weiß – eines weiß ich gewiss“, begann sie ihre Erzählung mit einer Warnung.
„Und das wäre?“ Der Waldläufer klang neugierig. Erneut umspielte ein seltsames Lächeln seine Mundwinkel.
„Nun, ich habe gehört, dass sich die Elfen auf die Seite des Lichts stellen – auf die Seite der Natur und der grünen Magie. Sie stehen für den Schutz der Urkräfte der grünen Magie und für den Erhalt dieser Naturenergien in der Erde und den Pflanzen, aus denen sie ihre Zauber schöpfen.“ Unsicher blickte Auriel ihren Begleiter an. „Sie lieben die Tiere und die Pflanzen und verachten nichts so sehr wie die schwarze Magie.“
Rhavîn schwieg einen Augenblick, bevor er erwiderte: „Nun, das ist richtig. Auf viele Elfenvölker trifft dies zu, allerdings vornehmlich auf die Elfen aus der alten Heimat, nicht auf die, welche auf Nèlthaîn leben.“ Der schwarzhaarige Elf neigte den Kopf, sodass sein Haarschmuck gläsern klirrte und versicherte dann: „Glaubt mir, Auriel. Habt keine Furcht.“
„Gut.“ Die Hexerin nickte. „Dann will ich Euch von mir erzählen. Doch sagt mir, wenn ich lieber innehalten soll, wenn Euch nicht zusagt, was ich zu berichten weiß.“
Rhavîn nickte würdevoll, ein wissendes Lächeln umspielte seine Lippen.
Im Folgenden erzählte Auriel von sich selbst, von dem Zirkel, dem sie angehörte. Sie berichtete, dass sie ihm bis zum gestrigen Abend als Novizin des Hohepriesters angehört hatte und beschrieb die verwobenen Grauen, denen der Kult diente.
„Die verwobenen Grauen sind die Götter, denen Ihr dient?“, wollte Rhavîn wissen. Der schwarzhaarige Elf klang ehrlich interessiert.
Auriel nickte.
„Sie bilden eine Einheit, aber in Wahrheit sind sie Individuen, einzelne Gottheiten mit einzigartigen Eigenschaften und Fähigkeiten. Man kann sie einzeln anrufen. Die Priester in unseren Reihen verschreiben sich den einzelnen Göttern und niemals der Einheit aller Gottheiten der verwobenen Grauen. Doch wir Hexer und Hexerinnen erbitten die Macht und den Beistand aller Götter und so dienen wir ihnen allen gleichermaßen.“ Dann erzählte Auriel von den grausamen Opferriten, die zu Ehren der Götter regelmäßig zu den Festtagen abgehalten wurden und rechnete fest damit, dass Rhavîn spätestens jetzt zornig werden und ihre Worte verfluchen würde.
Doch nichts dergleichen geschah und Auriel war sich sogar sicher, ein genießendes Funkeln in den Augen des Elfen wahrnehmen zu können.
„Auriel, ich danke Euch“, sagte der düstere Waldläufer, als sie ihren Monolog beendet hatte. „Nun denke ich, kann ich Euch und Eure Fähigkeiten besser einschätzen.“
Sollten mich meine Erinnerungen an das, was mich über die Elfen gelehrt wurde, so sehr trügen? , fragte sich Auriel kritisch. Skepsis mischte sich unter ihre Verwunderung. Vielleicht aber sind auch nicht alle Elfen gleich und Rhavîn ist einer von jenen, auf welche die Beschreibung nicht zutrifft. Immerhin gibt es ebenso Menschen, die für das vermeintlich Gute einstehen, wie auch Menschen, die der schwarzen Seite der Magie zugewandt sind. Weshalb also sollte dies nicht auch bei den Elfen so sein?
„Wenn Ihr den schwarzen Künsten also nicht abgeneigt seid, dann
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