Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 2 (German Edition)
wusste nicht, was sie sagen oder tun sollte.
„Rhavîn.“ Auriel zögerte. Ihre Stimme zitterte, ihre Lippen bebten. Der Dunkelelf sah sie weiterhin an, Auriel hielt seinem düsteren Blick stand. „Dieser Wald jagt mir Angst ein. Es ist ungewöhnlich kalt an diesem Ort und es riecht so seltsam. Als ... als würde ein Tier in unserer Nähe verwesen. Die Geräusche, die an meine Ohren dringen, dröhnen so laut in meinem Kopf, dass ich kaum einen klaren Gedanken fassen kann. Und die finstere Stimmung, die hier herrscht, schnürt mir die Kehle zu.“ Auriels Hände zitterten, sie verbarg sie schnell unter ihrem Umhang. Doch das Beben ihrer Lippen und der fremde Glanz in ihren braunen Augen verrieten ihre Angst. „Spürst du nicht das Grauen, das diesen Ort beherrscht?“ Tränen traten in Auriels Augen, ihre Stimme überschlug sich. „Fühlst du nicht die eiskalten Blicke, die uns der Wald zuwirft? Wir sind in die Enge getrieben, gehetzt und ausgeliefert wie wilde Tiere. Merkst du es nicht, Rhavîn? Die Finsternis streckt ihre Klauen nach uns aus. Ihr Odem treibt uns wie Schmetterlinge in die Dunkelheit. Bald werden wir nicht mehr wissen, wo wir sind, wer wir sind!“
Rhavîn schwieg. Sein Blut vibrierte zu einer uralten inneren Melodie, sein Körper verzehrte sich nach den Krallen der Finsternis, die zu seinen Füßen gruben. Er verdrehte abermals die Augen, seine Lider flatterten.
„Rhavîn!“ Panik wallte in Auriels Brust. „Ich verliere dich!“
Der Dunkelelf blinzelte. Wie ein Raubvogel fixierte er Auriels Augen. Sein kaltherziger Blick war Angst einflößend, seine Miene unberechenbar.
„Ich rieche deine Furcht, Auriel. Ich sehe das Grauen in deinen Augen. Und ich spüre die Kräfte der finsteren Magie, die dir Furcht einjagen. Doch ich kann deine Abscheu nicht nachempfinden.“ Rhavîns Stimme klang dumpf und monoton. „Hier endlich spüre ich wieder, dass ich ein Teil der Dunkelheit bin. Ich fühle begierig, wie die Finsternis ihre Fänge nach mir ausstreckt.“ Rhavîn stöhnte lustvoll. „Ach würde sie mich nur ergreifen.“
„Aber, Rhavîn!“ Auriel schluchzte auf. Wimmernd ächzte sie: „Ich habe geglaubt, du würdest von jetzt an jeden Weg mit mir gemeinsam gehen. Aber nun wirkst du so fremd auf mich, als hätte ich dich nie gekannt.“
Der Dunkelelf wandte seinen Blick ab, er legte den Kopf in den Nacken. Über sich sah er die sich sanft im Wind wiegenden Zweige des mächtigen Baums in seinem Rücken, darüber den dunkelnden Abendhimmel. Rhavîn fühlte sich, als könne er die Kraft der schwarzen Magie aus dem Boden ziehen, einzig dadurch, dass seine Füße die Erde berührten. Ein zartes Prickeln auf seiner Haut bedeutete ihm, dass er an diesem Ort daheim war und dass die Mächte um ihn herum ihn willkommen hießen. Doch auf einmal spürte er eine weitere Kraft, die in seiner Seele pulsierte: seine Zuneigung zu Auriel.
Wenn ich nun einen Fuß auf den Pfad der Finsternis setze, werde ich ihn nicht mehr verlassen. Reiche ich den dunklen Mächten die Hand, so werden sie mich verzehren und mich nicht mehr loslassen. Dann wird Auriel sterben, durch meine eigene Hand. Rhavîn zwang sich, die schier unerträglichen Gefühle zuzulassen. Für einen kurzen Augenblick gelang es seinen liebenden Empfindungen, die betörende Dunkelheit zurückzudrängen.
„Ich muss Stärke beweisen und mich selbst zwingen, die Augen für dich und einen gemeinsamen Weg zu öffnen, Auriel.“ Der Dunkelelf blickte die Hexerin gequält an. „Ich spüre, wie die Finsternis in mein Innerstes dringt und versucht, mich in ihre Gewalt zu bringen.“
„Aber ...“ Auriel sah flehentlich auf.
„Mein gesamtes Leben habe ich umgeben von Kräften der Finsternis verbracht. In meiner Heimat herrschen freilich weitaus stärkere Kräfte als an diesem Ort. Dennoch ist mein Geist offen für die Lockungen anderer finsterer Mächte. Mein Körper sehnt sich danach, endlich die dunkle Zauberkraft meines Fürsten wieder spüren zu dürfen. Die Macht an diesem Ort kommt der seinen zwar nicht gleich, wäre aber ein passabler Ersatz. Ich bin ein Teil der finsteren Magie; ihr und Lhagaîlan daé Yazyðor werde ich für immer gehören.“ Rhavîn wies auf seine Tätowierungen. „Diese Linien sind das Ergebnis eines magischen Initiationsrituals. Ich habe mich niemals einer Tätowierung unterzogen, Auriel.“
Die Augen der Hexerin weiteten sich.
„Diese Zeichen sind ein Produkt der finsteren Magie Lhagaîlan daé Yazyðors. Seine
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