Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 2 (German Edition)
Glanz malte sich in den tief hängenden Wolken und auf dem Schnee der nahen Berge ab.
Gut , N’thaldur nickte zufrieden, die Energien fließen. Es wird Zeit, dass ich meinen Plan vollende. Der Finstermagier richtete den Blick nach Norden und breitete die Arme aus. Der kühle Nachtwind fuhr ihm in die Gewänder, zerrte an seinem Hemd, bis es sich schließlich öffnete. Einzig die Sterne waren seine Zeugen, die Berggipfel seine Begleiter und der Wind der Bote, der seine Stimme in die Welt hinaustrug. Frostige Kälte herrschte in dieser Nacht. Die nächtliche Brise trieb immer wieder Schneeböen von den nahen Berggipfeln auf das Plateau des Turms.
N’thaldur atmete tief durch. Dann schloss er die Augen, um sich auf die magischen Formeln zu konzentrieren, die er brauchte, um sein Ritual durchführen zu können. Mit geballten Fäusten, angespannten Muskeln und zuckenden Lidern presste er zwischen fast geschlossenen Lippen die magischen Worte hervor, die ihm seine kühnen Pläne zu verwirklichen helfen sollten.
„Ich rufe euch, ihr Kräfte der Finsternis. Eilt zu mir aus den Tiefen der Erde, drängt heran aus den Herzen der Dämonen, um mir zu dienen!“ N’thaldurs Stimme klang mit jedem Wort fremder. Als sich mit einem Mal die magischen Energien um ihn herum erhoben und sich zu einem gewaltigen Strudel zusammenschlossen, verschmolzen die Worte des Zauberers mit ihm. Sie klangen heulend wie der Wind, verzerrt wie das Rauschen der See und klirrend wie berstendes Eis. Der Finstermagier formte seine magischen Anrufungen aus besonderen Worten, die keiner gewöhnlichen Sprache entstammten, sondern einer magischen Sprache, die lediglich von den Zauberern Thargannions gekannt und angewendet wurde. Mithilfe der Formeln beschwor er die dunkelsten Kräfte aus den tiefsten Reichen der Welt, stieß tief in dämonische Gebiete vor und ließ die Bollwerke der Welt unter seiner Stimme erzittern.
Das magische Dröhnen und das Leuchten der finsteren Energien, die um den Finstermagier kreisten, ihn in ihrer Mitte einschlossen und alsdann weit zum Himmel hinauf stießen, waren noch in weiter Ferne auszumachen.
N’thaldur versank in tiefer Trance, verlor jeglichen Bezug zur Realität und fungierte letztlich bloß noch als Portal, um den magischen Strömen den Zugang in die Welt der Lebenden zu gewähren. Er war ein Spielball in ihren Fängen, trieb zwischen ihnen umher, wie ein Blatt im Wind, während er unentwegt magische Formeln rezitierte.
Die finsteren Energien schossen aus Monnovreks Dächern hervor wie brennende Steine aus einem Vulkan. Sie wirbelten pulsierend umher und nahmen immer wieder neue bizarre Formen an. So wirkten sie zeitweilig wie grotesk verzerrte Gesichter, wie sich im Schmerz windende Leiber oder lange Krallen, die sich gegenseitig zerfetzten.
Das Ritual dauerte etliche Stunden, bis die Sonne bereits hoch am Himmel stand und sich der zwölfte Tag des Rabenmondes allmählich seinem Ende zuneigte. N’thaldur spürte weder Anstrengung noch Erschöpfung, doch fühlte er, dass seine Magie erfolgreich sein würde.
Mit diesem machtvollen Zauber hatte er einen Großteil der Natur und viele tierische Lebewesen in den Nordmarken für eine begrenzte Zeit zu seinen Untergebenen gemacht. Sie würden nun seinem Willen folgen. Ihr einziges Ziel würde es sein, ihn zu unterstützen und sich gegen Rhavîn und Auriel zu stellen. Von nun an, das wusste der Finstermagier, würden der Dunkelelf und die Hexerin nirgendwo mehr sicher sein, denn jeder Baum und jedes Tier konnten ihre Feinde sein. Die Natur war mit einem schwarzen Fluch belegt, die Pflanzen beseelt und die Tiere in perfide Wesen verwandelt worden, deren Fähigkeiten und Eigenschaften von ihren ursprünglichen Anlagen weit abwichen.
Nirgendwo werden sie sich vor meinen Blicken verstecken können , frohlockte der Zauberer. Niemals werden sie vor meinem Zorn sicher sein. Und selbst die friedvolle Natur der Nordmarken ist nun meinem Willen unterworfen und auf meiner Seite. Ich werde siegreich sein!
Als das Ritual nach vielen weiteren Stunden endete, war auf Thargannion bereits der dreizehnte Tag des Rabenmondes angebrochen. N’thaldur badete sich nicht lang in seinem Erfolg, sondern nutzte die herbeigerufenen Energien, um sich seinem nächsten Plan zuzuwenden.
„Dies wird der klügste Plan, den ich jemals ersonnen habe!“ Gierig rieb er sich die Hände. Die Aussicht darauf, in Kürze über Rhavîn triumphieren zu können, ließ den Finstermagier alle
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