Rheines Gold
sogar eine recht wichtige, Sidonius. Das ist nämlich der Tag, an dem dir diese Figur hier übergeben werden sollte.«
Claudus zog mit einem Ruck den Stoff von der goldenen Statue, und Sidonius sprang auf: »Ach, da ist ja der Mercurius, den ich für meine Sammlung haben wollte!«
Rufina biss sich auf die Lippen. Konnte ein Mann so dumm sein?
Offensichtlich hatte in diesem Moment auch Sidonius gemerkt, was er gesagt hatte, und verhaspelte sich in wirre Ausflüchte, die darauf hinausliefen, er habe eine ähnliche Figur in Auftrag gegeben, die aber bisher noch nicht geliefert wurde.
»Bei wem in Auftrag gegeben?«
»Was weiß ich? Bei einem Goldschmied natürlich!«
»Du weißt nicht, wen du damit beauftragt hast?«
»Ich müsste meinen Quaestor fragen. Er erledigt solche Dinge für mich.«
»Wir werden ihn befragen! Oder du erinnerst dich selbst.«
»Was soll das Ganze eigentlich?«, begehrte der Duumvir auf und erhob sich halb von seinem Sitz.
»Wollte dir vielleicht nicht auch jemand diese Statue zum Geschenk machen?«
»Warum sollte mir jemand derart kostbare Geschenke machen?«
»Nun, aus Dankbarkeit wahrscheinlich.«
Sidonius ignorierte die Frage, er hatte nach der Figur gegriffen und befingerte sie gierig.
»Eine wirklich schöne Arbeit!«, sagte er. »Woher habt ihr sie eigentlich, Claudus?«
»Aurelia Rufina fand sie in der Therme. In der Nähe der Latrinen.«
»Das ist ja seltsam. Genau da habe ich sie gesucht!«
Das Schweigen war abgrundtief im Raum. Sogar das Griffelkratzen der Schreiber hatte aufgehört.
Maurus drehte sich um. Die Toga, die er über sein Haupt gezogen hatte, überschattete sein dunkles Gesicht und verlieh ihm das gespenstische Aussehen eines Kopflosen.
Sidonius wurde dunkelrot im Gesicht, sein Mund öffnete sich und seine Augen traten beinahe aus den Höhlen. Mit dumpfer Stimme begann Maurus seine Rede.
»Im Reich der Schatten, Hirtius Sidonius, sieht man viele Dinge, die den Lebenden verborgen bleiben. Mir sind die Usheptis begegnet, die für die Verstorbenen die Arbeiten übernehmen, und die goldenen Sargwächterinnen eines ägyptischen Edlen - Nephthys, Isis, Selket und Neith. Und sie verwandelten sich in Flora und Fortuna, Venus und Concordia...«
Sidonius keuchte, er schien keine Luft mehr zu bekommen.
»Ja, man hört in Rom von Goldschmieden, die sich der Beute von Grabräubern annehmen. Doch die Geister jener Beraubten sind unruhig, Hirtius Sidonius. Sie verlangen nach Rache! Genau wie die Geister der Erschlagenen!«
Es war mehr ein Quieken als ein Schrei, das dem Duumvir entfuhr.
Maurus schlug den Stoff zurück, der seinen Kopf verhüllt hatte, und sprach mit Donnerstimme auf ihn ein: »Du hast meinen Tod befohlen, Hirtius Sidonius! Ich bin gekommen, um Gerechtigkeit zu verlangen!«
Sidonius biss sich auf die Fingerknöchel, und seine Fettmassen bebten vor Entsetzen.
»Gestehe, Decimus Hirtius Sidonius. Das ist deine einzige Rettung. Was verlangte Lampronius Meles als Gegenwert für den goldenen Mercurius, den Gott der Händler und der Diebe?«
»Er... er wollte doch nur...« Sidonius’ Stimme hatte sich vor Angst ins Falsett erhoben, und atemlos krähte er: »… also bloß ein bisschen Wohlwollen. Meine Empfehlung wollte er. Weil er doch Decurio werden wollte.«
Kalt klangen Valerius Corvus’ Worte: »Er hat deine Stimme gekauft!«
»Nein, nein, so war es nicht. Nur eine Empfehlung.«
»Und wie wollte er meine ›Empfehlung‹ erlangen?«
»W... weiß ich nicht.«
Die Röte war aus Sidonius’ Gesicht verschwunden, er war jetzt blass und hatte Schweißperlen auf der Stirn.
Maenius Claudus betrachtete ihn mit Widerwillen.
»Hirtius Sidonius, ich habe Fulcinius Maurus im vergangenen Jahr beauftragt, dich zu beobachten, denn mir sind Gerüchte zu Ohren gekommen, du würdest dein Amt mit Korruption und Bestechlichkeit führen. Dass dem so ist, hat er bestätigt. Er hat dich in flagranti ertappt, in der Latrine, zusammen mit Lampronius Meles. Er hat Nachforschungen in Rom und Massilia angestellt und deine unrühmliche Vergangenheit aufgedeckt. Wir sind über alle deine Machenschaften informiert.« Er schwieg einen Moment und ließ seine Worte wirken. Dann fuhr er mit unbewegter Stimme fort: »Du hast Verbrechen begangen. Doch du hast, bedauerlicherweise, ein hohes Amt in der Colonia. Wir wollen dem Ansehen des Römischen Reiches nicht dadurch schaden, dass wir dich öffentlich vor Gericht stellen und dich der Habgier und der Dummheit anklagen. Du
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