Rheines Gold
den vergangenen Tag und die Ereignisse der Nacht betrafen. Rufina bemühte sich, alles so genau wie möglich zu beantworten, und nahm dabei halb bewusst zwei Schreiber wahr, die eifrig ihre Worte mitkritzelten.
»Das war sehr hilfreich, Aurelia Rufina. Nun gibt es einige Zeugen, die wir befragen möchten. Es wird eventuell etwas unangenehm, aber es wäre sehr hilfreich, wenn du bleiben könntest. Dennoch verstehe ich durchaus, wenn du es vorziehst, der Konfrontation nicht beizuwohnen.«
»Ich werde bleiben, Maenius Claudus.«
»Danke.« Er rief den Legionären am Eingang zu: »Bringt den Goldschmied!«
Er stellte die Merkur-Statue auf einen Tisch, dann führten zwei uniformierte Soldaten Dorovitrix vor. Rufina sog scharf den Atem ein. Das hatte sie nicht erwartet. Der Goldschmied sah unglücklich aus, und als er sie erkannte, zog so etwas wie bittere Resignation über sein Gesicht.
Valerius Corvus ergriff das Wort.
»Goldschmied, du erkennst diese Statue?«
»Ja, Duumvir.«
»Du hast sie gefertigt.«
»Ja.«
»Aus Gold, dessen Herkunft, wie du sehr wohl wusstest, aus illegalen Quellen stammt.«
»Ja.«
»Du hast keine Meldung darüber gemacht.«
»Nein.«
»Dir ist klar, dass du dich damit der Beihilfe zu einem Verbrechen schuldig gemacht hast.«
»Ja.«
»Wie oft hast du derartiges Gold angenommen?«
»Dreimal.«
»Was hast du daraus hergestellt?«
»Diese Figur, eine Minerva-Statue und ein schweres Halsgeschmeide.«
»Münzen?«
»Nein, nie.«
»Wer hat dir das Gold gebracht?«
»Der Sklave eines angesehenen Herrn.«
»Du nimmst Aufträge von Sklaven entgegen?«
»Ich habe nur das Rohmaterial von ihm entgegengenommen.«
»Den Auftrag hat dir also der Herr selbst erteilt.«
»Ja.«
»Nenne uns seinen Namen.«
Dorovitrix schluckte schwer.
»Goldschmied, du hast gegen die Gesetze verstoßen. Du weißt sehr genau, das Gold ist, wie alle Bodenschätze der Provinz, Eigentum des römischen Kaisers. Der Kerker ist dir gewiss.«
Valerius Corvus’ Worte klangen kalt und streng, und Rufina sah, wie Dorovitrix geradezu tödlich blass wurde. Sie konnte nicht länger ruhig bleiben.
»Valerius Corvus, Dorovitrix mag gegen die Gesetze verstoßen haben, aber mir gegenüber hat er sich als ehrenwerter Mann verhalten.«
Ein harter Blick des Duumvir traf Rufina, aber sie hielt ihm Stand.
»Er hat sich in der Sache nicht ehrenwert verhalten!«, bemerkte er nüchtern.
»Das mag sein. Aber er gab einer hilflosen jungen Frau, die in Not schien, den gerechten Gegenwert für ein Schmuckstück, das sie zu versetzen sich gezwungen sah. Er gab ihr ebenso den väterlichen Rat, sich von dem Mann fern zu halten, der diesen Schmuck erstanden und ihr geschenkt hatte.«
»Ach ja? Warum das, Aurelia Rufina?«
»Ich... ich ließ ihn in der Annahme, der Geber sei mein Geliebter. Er warnte mich zudem, der Mann sei gefährlich, weil er über ungemünztes Gold verfügte. Auch ich, Valerius Corvus, habe mich also der Mitwisserschaft schuldig gemacht, denn ich habe diesen Umstand nicht dem Magistrat gemeldet.«
»So ist das also!«
Das entstellte Gesicht des Duumvir sah grimmig aus, und Dorovitrix sagte mit heiserer Stimme: »Die junge Frau trifft keine Schuld. Wenn, dann bin ich es, der falsch gehandelt hat.«
Rufina ließ sich nicht von dem Einwurf beirren. Sie fuhr fort: »Und, Valerius Corvus, vielleicht solltest du Folgendes mit in Betracht ziehen: Dorovitrix wusste sehr wohl, welche Gefahr von seinem Kunden ausging. Ihn des illegalen Goldbesitzes anzuklagen, hätte ihn und seine Familie in große Schwierigkeiten bringen können.«
Maenius Claudus und der Duumvir tauschten einen Blick, dann zeigte Valerius Corvus plötzlich ein seltsam wehmütiges Lächeln.
»Hast du zufällig gallische Vorfahren, Aurelia Rufina?«
»Nein, Valerius Corvus. Mein Vater und meine Mutter sind römische Bürger. Warum?«
»Du erinnerst mich an eine Barbarin, die ich sehr schätzte. Auch sie hat mein Urteil nur zu gerne angezweifelt. Nun ja, Aurelia Rufina, du sprichst also für diesen Goldschmied, weil er sich dir gegenüber in väterlicher Manier verhalten hat.« Er war wieder sehr ernst geworden und überlegte einen Moment. Dann sagte er: »Ich habe gelernt, auf die Worte einer Frau zu hören, auch wenn die Argumente häufig der Logik entbehren. Der Logik des festgeschriebenen Gesetzes.«
Valerius Corvus blickte zu Maurus, der eine völlig unbewegte Miene aufgesetzt hatte, und zu Aurelius Falco, der angelegentlich aus dem
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