Rheines Gold
war nicht geschehen. Cyprianus hatte zwei angeschlagene Amphoren zu beklagen, wischte aber bereits gut gelaunt pfeifend den verschütteten Wein fort.
»Sie waren sowieso fast leer, Patrona. Willst du zur Stärkung einen Becher von meinem leichten Roten?«
»Danke, nein, ich muss mich weiter umsehen. Ich hoffe, wir können morgen den Betrieb wieder aufnehmen.« Der Aufseher Marius hingegen nahm den angebotenen Becher an und schnalzte kennerisch mit der Zunge, nachdem er einen tiefen Schluck genommen hatte.
»Sauf aus!«
»Ja, Patrona.«
Er grinste. Sie sah ihn kopfschüttelnd an und fragte: »Hat man etwas aus dem Wasserkastell gehört? Sind die Leitungen intakt?«
»Im Südviertel, heißt es, fließt das Wasser schon wieder. Ich denke, wir könnten die Ventile an den Kaltwasserbecken vor den Latrinen probeweise mal öffnen. Dann wissen wir mehr.«
Rufina begleitete Marius zu dem Gebäudeteil, in dem sich die Latrinen befanden, und gemeinsam drehten sie an der Bronzearmatur. Das Wasser kam mit einem kräftigen Schwall herausgelaufen und füllte das Kaltbad, das dann sein gebrauchtes Wasser an die Rinne unter den Latrinensitzen direkt in die Abwasserkanäle leitete.
»Na also!«
Marius nickte zufrieden, und auch Rufina fühlte die Anspannung von sich abfallen, als ein stygischer Schrei sie aufschrecken ließ!
»Wasser!«, quiekte es. »Hier kommt Wasser rein!«
»Das ist doch Crispus! Bei den Lemuren, dieser verflixte Junge ist ins Hypocaustum gekrochen!«
Mit wehender Tunika und klappernden Sandalen schoss Rufina zum Praefurnium.
»Fulcinia!«
»Die Domina ist zum Holzlager gegangen«, beschied sie einer der Heizer.
»Dann müsst ihr mir helfen. Mein Sohn hat sich hier unten eingeschlichen. Ich habe Angst! Es kann ihm dort etwas passieren.«
»Beruhige dich, Patrona. Da unten hat es keine Schäden gegeben. Den Schlingel kriegen wir gleich. Murinius!«
»Bin schon unterwegs!«
Der von Asche und Ruß verschmierte, schmächtige Mann kroch in erstaunlich schneller Manier in das Hypocaustum.
»Keine Schäden? Alle Säulen intakt?«
»Die Säulen ja, aber an zwei Stellen gibt es verschobene Bodenplatten. Kein großes Problem, kann man einfach wieder an ihren Platz rücken und den gerissenen Estrich ausbessern, Patrona.«
»Richtig, irgendwo hinten an den Latrinen. Es fließt Wasser von oben hinein.«
»Und neben dem Tepidarium. Aber - keine Sorge, das richten wir nachher schon. Haben heute ja sowieso nichts anderes zu tun!«
»Da ist der Lausbub. Schwärzer als die Nacht, Patrona.«
»Mama, sieh mal, was ich gefunden...«
»Crispus!«
»Autsch!«
Rufina war die Hand ausgerutscht, und nun klebte feuchter Ruß an ihrer Innenfläche.
»Was habe ich dir gesagt, Crispus?«
»Dass ich nicht da unten rein darf. Aber, Mama, ich muss
doch wissen, wie die Heizung funktioniert, wenn ich mal die
Therme übernehme. Noch bin ich klein genug, um da durchzukriechen.«
»Da hat er Recht, Patrona.«
»Unterstützt ihr ihn nur noch!«
Aber Rufina musste doch schon wieder lächeln. Sie verstand durchaus, welchen geradezu überwältigenden Reiz die Unterwelt des Gebäudes auf einen wissbegierigen Siebenjährigen ausübte.
»Schau mal, das lag da unten!«
Schwarze Fingerabdrücke zierten die weiße Statue, die sie jetzt aus Crispus’ Hand entgegennahm. Sie war erstaunlich schwer, schien aber aus Gips zu bestehen und machte, bis auf den feinen, goldenen Ring um seinen Hals, einen etwas schluderig gearbeiteten Eindruck, so als ob die Form, in die sie gegossen worden war, schon recht abgenutzt gewesen sei. Rufina fragte sich, welchen der Götter oder Helden sie wohl darstellen mochte. Sie platzierte die gut eine Handspanne hohe Figur auf einen Holzblock, der den Heizern zum Sitzen diente, und gemeinsam betrachteten sie sie.
»Könnte Merkur sein. Mit dem geflügelten Helm und dem Geldbeutel und so.«
»Ja, aber der Halsreif? Ich habe noch nie einen Merkur mit Weiberschmuck gesehen.«
»Das ist kein Weiberschmuck. Das ist so’n Barbaren-Ring.«
»Dann isses auch kein Merkur.«
»Könnte einer von deinen sein, Goswin. Dieser Spitzbube, der den Zwergen das Halsband geklaut hat.«
»Loki, meinst du? Ich weiß nicht....«
»Sagen wir ganz einfach, es ist ein gallischer Merkur! Die Gallier haben Götter, die unseren ziemlich ähnlich sind«, beendete Rufina die Diskussion und nahm die fragliche Statue an sich. »Ich werde ihm einen ehrenvollen Platz geben. Allerdings wundere ich mich wirklich, wie er unter den
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