Rheines Gold
Maßstab für Erfolg und Werdegang der Feier. Er schwoll mit zunehmender Stunde an. Vor allem mischten sich unter die tiefen Stimmen der Männer mehr und mehr Frauenstimmen, was ihre Befürchtung bestätigte, Meles habe die Freudenmädchen kommen lassen. Da Crassus sich seit dem Nachmittag nicht mehr hatte blicken lassen, nahm sie an, er gab sich, statt auf Ordnung und Mäßigkeit zu achten, mit großem Vergnügen der Ausschweifung hin.
Wie Recht sie mit dieser Vermutung hatte, zeigte sich am nächsten Morgen. Sie war früh aufgestanden und begann ihre Inspektionsrunde, bevor Diener und Heizer mit ihren Arbeiten begannen. Es sah entsetzlich aus! In den Becken schwammen die Reste der Mahlzeit, zerrissene Kleidungsstücke lagen in den Ecken, es roch nach vergossenem Wein und Urin, ein halb nacktes Mädchen mit einem verschmierten Gesicht und wirren Haaren hatte sich auf den klebrigen Polstern einer Kline zusammengerollt und schnarchte leise. Eine zerbrochene Lyra kündete von wüsten Liedern, zerbrochene Becher von derben Tischsitten, zerbrochene Fensterscheiben von trunkener Unbeherrschtheit.
Crassus lag auf dem halb heruntergerissenen Vorhang vor der Latrine, seine Tunika war unzüchtig weit hochgeschoben, und über seinem Ohr hing schief ein Efeukranz. Rufina stieß ihm die Fußspitze in die Seite.
»Steh auf, ehrenwerter Schwiegervater! Die Orgie ist zu Ende, der Arbeitstag hat begonnen.«
»Hä?« Seine Augen waren gerötet, und mit einer fassungslosen Handbewegung berührte er seine Stirn. Ein qualvolles Stöhnen entrang sich ihm.
»Tja, die Wirkung von Efeukränzen wird offensichtlich weit überschätzt, mein Lieber. Aber das geschieht dir nur recht. Glaub nicht, ich würde dir einen Aufguss gegen Kopfschmerzen zubereiten. Und jetzt heb deinen Hintern hoch und geh in dein Bett. Ich gebe dir heute auf Grund deiner vorzüglichen Leistungen am gestrigen Tag frei.«
»Vipernzunge!«, knurrte Crassus leise, und Rufina fuhr ihn mit äußerster Lautstärke an: »Und wag es nicht, mir heute noch einmal unter die Augen zu kommen!«
»Nicht so laut... Ohhhh!«
Ihr Schwiegervater erhob sich mühsam und schlich über den Hof zum Wohnhaus. Rufina rüttelte auch die kleine Hure wach, die ohne Murren sofort verschwand.
»Reichlich Arbeit für alle«, sagte Fulcinia, die ebenfalls ihre Runde machte. Sie hatte die Truppe der Heizer mitgebracht und wies sie auf ihre stille Art an, die gröbste Unordnung zu beseitigen.
Am Nachmittag war die Therme weitgehend in einem ordentlichen Zustand, doch die Becken hatten sie nicht gefüllt. Lampronius Meles sprach vor, und Rufina empfing ihn in ihren Wohnräumen. Einer seiner Sklaven begleitete ihn und hielt sich stumm im Hintergrund.
»Meinen Gästen hat es ausgezeichnet in deinem Bad gefallen, Aurelia Rufina. Ich hoffe, wir haben dir nicht zu viele Ungelegenheiten bereitet.«
Er sah weder so übernächtigt aus wie Crassus, noch schien er an ähnlich bohrenden Kopfschmerzen zu leiden. Genau genommen sah er frisch und ausgeruht aus und machte einen gepflegten Eindruck. Seine dunklen Augen hatten das Lächeln aufgenommen, das seinen Mund umspielte, als er auf Rufinas einladende Geste Platz nahm. Doch ihre Reaktion war kühl und zurückhaltend. Eine Wachstafel lag vor ihr auf dem Tisch, und sie antwortete mit nüchterner Stimme: »Ich habe die - Ungelegenheiten - aufgelistet, Lampronius Meles, und die Kosten berechnet, die notwendig sind, um sie zu beheben.«
»So streng mit mir, Patrona?«
»Wir hatten eine Vereinbarung, erinnerst du dich?«
»Aber natürlich. Glaubst du, ich wollte mich darum drücken? Gib mir die Aufstellung.«
Sie reichte ihm das Täfelchen, er warf einen beiläufigen Blick auf den Endbetrag, nickte und übergab es dem Sklaven mit den Worten: »Regle das.«
Der Sklave griff zum Geldbeutel an seinem Gürtel und zahlte Rufina die gewünschte Summe aus. Ihr Besucher hingegen betrachtete sie mit Wohlwollen.
»Du wärst eine Zierde meiner Feier gewesen, schöne Rufina.«
»Fulcinius Crassus zierte deine Feier ausreichend, möchte ich meinen.«
»Oh ja, das tat er natürlich. Dein trefflicher Schwiegervater spielt gerne den Possenreißer. Er hat uns mit seinen Geschichten auf das Amüsanteste unterhalten. Richte ihm meine Grüße aus.«
»Er hat sich auf deine Kosten ebenfalls unterhalten und liegt jammernd mit einem dicken Kopf zu Bett.«
Leise lachte Meles auf.
»Spring nicht zu hart mit ihm um, Aurelia Rufina. Er ist ein beklagenswerter Mann, dem ein
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