Rheines Gold
vielleicht solltet ihr hier an der Wasserleitung einen kleinen Tempel bauen. Zum Beispiel der Feronia zu Ehren, der Mutter der Wölfe. Das könnte den Männern das Gefühl der Sicherheit geben.«
»Keine ganz schlechte Idee.«
Silvian zog die Adlerfibel aus seiner Gürteltasche und schob sie Rufina zu.
»Ich will sie nicht, Silvian.«
»Nimm sie. Es war sein Wunsch.«
»Er hatte nichts wieder gutzumachen.«
»Vielleicht doch. Nimm sie, wer weiß, wofür es einmal nützlich ist.«
Rufina nahm das Schmuckstück in die Hand und betrachtete es genau. Es war eine Arbeit aus massivem Gold, nicht so leicht und zierlich wie der römische Schmuck, nicht so elegant wie der gallische mit seinen verschlungenen Ornamenten. Die Fibel war schwer, fast klobig, aber der Adler war kunstvoll gestaltet und außerordentlich fein graviert.
»Na gut. Ich behalte sie. Als Erinnerung an einen gutherzigen Mann.«
»Vielleicht war er nur gutherzig dir gegenüber? Immerhin hat er bei einer Entführung mitgewirkt, und mögen die Götter wissen, was sie mit euch angestellt hätten, wenn kein Lösegeld gezahlt worden wäre.«
»Silvian, was hat die verbitterte Frau zu mir gesagt? Ich habe den Namen Halvor verstanden.«
»Aswin hat sich mit Halvors Tochter getroffen. Ich nehme an, sie war seine Frau, und sie war eifersüchtig. Es muss nichts zu bedeuten haben.«
»Kennst du Halvors Tochter?«
»Ich kenne zwei seiner Töchter und einen seiner Söhne. Die Mädchen sind noch jung, kaum über zehn Jahre alt. Aber das will nichts heißen. Er wird nicht noch mehr Kinder haben.«
»Halvor hat die Therme besucht, er kennt die Räume und die Ausgänge.«
»Ja, das spricht gegen ihn.«
»Er muss Tribut zahlen, nicht wahr?«
»Ja, das muss er, wie alle.«
»Es heißt, vor einigen Tagen sei eine Abordnung beim Statthalter gewesen, die sich über die Höhe der Zahlungen beschwert hat.«
»Davon habe ich nichts gehört. Aber es ist durchaus denkbar. Auch, dass er dabei war.«
»Möglicherweise hat Maenius Claudus ihre Klage abgewiesen.«
»Und sie haben dafür sein Weib entführt. Ja, man könnte sich so etwas vorstellen. Aber ich kenne Halvor schon sehr lange. Es ist nicht seine Art.«
»Seine nicht, aber ein anderer... Und er hat mitgemacht.«
»Ich weiß nicht. Halvor ist ein gradliniger, ehrenwerter Mann.«
»Ohne Fehler? Ohne Schwächen? Und die Felle?«
Silvian lachte ein wenig unbehaglich.
»Nun ja, er betreibt ein wenig Schwarzhandel mit dem Gold, das sie aus dem Rhein und den Flüsschen waschen. Bisher haben noch alle, die ich kenne, ein Auge zugedrückt. Es ist ihr Land, sie kennen es bei weitem besser als wir.«
»Waschen denn nicht auch die Legionäre Gold aus dem Rhein?«
»An manchen Stellen. Aber es lohnt sich nicht überall. Für sie, für die Einheimischen schon.«
»Wolfrune sagt, das Gold sei die Ursache des Unglücks.«
»Tja, eine alte Weisheit, wahrlich nicht neu. Gold macht gierig. Es gibt nicht viele, die es unberührt lässt.«
»Wo lebt Halvor?«
»Vor den Mauern der Colonia, nördlich von Waslicia.«
»Ich möchte mit ihm sprechen.«
Silvian seufzte.
»Nun gut, wenn du meinst. Wir kommen morgen an seinem Dorf vorbei.«
Rufina erhob sich, ging zur Türöffnung und sah eine Weile hinaus in die langen Schatten des Abends. Sie spürte Silvians Körperwärme, als er sich hinter sie stellte.
»Es war ein furchtbarer Tag, Silvian.«
»Ja, meine Kleine, das war er. Und deine Last war bei Weitem die größte.«
Er legte die Arme um sie und hielt sie fest. Rufina wehrte sich nicht dagegen. Sie lehnte sogar leicht den Kopf an seine Brust und ließ es sich gefallen, dass sein Mund ihr Haar liebkoste. Sie ließ es sich auch gefallen, als er sie sacht zu sich umdrehte und ihr mit den Fingern zärtlich die Züge ihres Gesichts nachzog.
»Ich würde dich gerne vor solchen Erlebnissen beschützen, Rufina«, flüsterte er und strich leicht über ihre Augenbrauen.
»Das liegt außerhalb deiner Möglichkeiten, Baumeister Silvian.«
»Bist du sicher?«
»Deine Aufgabe befindet sich hier, bei deinem Kanal. Meine am Ende der Wasserleitung, in der Therme.«
»Eine große Gemeinsamkeit, finde ich zumindest.«
»Du am Anfang, ich am Ende?«
»Und dazwischen das Wasser, das seinen Weg immer zu dir sucht.«
»Silvian, du Poet.«
»Nein, Rufina, das bin ich nicht. Nur ein Mann.«
Sie sah zu ihm hoch. Auch er wirkte erschöpft, und ein dunkler Bartschatten lag auf Kinn und Wangen. Aber seine Augen blickten klar und
Weitere Kostenlose Bücher