Rheines Gold
nicht einfach werden.
Am Morgen nahmen sie den Weg entlang der Wasserleitung und ließen ihre Pferde in mäßigem Schritt nebeneinander hergehen. Silvian erklärte Rufina, wie sie es geschafft hatten, das natürliche Gefälle der Landschaft so auszunutzen, damit das Wasser aus den Bergen der Eifel ohne Hindernis bis in die Colonia fließen konnte. Durch geschickte Geländewahl hatten sie es umgehen können, lange, hohe Aquädukte oder gar Tunnel bauen zu müssen.
»Lediglich die letzten sechs Meilen haben wir den Kanal über eine Brücke gelegt, denn um alle Bereiche zu versorgen, brauchen wir ein starkes Gefälle kurz vor der Stadt.«
»Seit wann bist du eigentlich mit dieser Leitung beschäftigt, Silvian?«
»Es ist jetzt schon bald zehn Jahre her. Ich bin von Anfang an dabei. Zuerst als Gehilfe des Geometers, der die Trasse vermessen hat. Dann habe ich mit den Ingenieuren das Gefälle ausgetafelt, mich später um die Beschaffung der Steine und den opus caementicum gekümmert, aus dem der Kanal besteht. Dann habe ich den Brückenbau geleitet und beaufsichtigt und die Umleitung der alten Gerinne organisiert. Ich glaube, ich gehöre inzwischen zu den Leuten, die den Kanal wirklich am besten kennen.«
»Das scheint mir so. Sag mal, wie ist denn die Stadt früher mit Wasser versorgt worden, bevor es diese Leitung gab?«
»Durch die Quellen aus dem nahen Umland. Aber sie lieferten nicht genug Wasser, abgesehen davon auch noch schlechtes. Es war nicht sauber genug. Die Bäche aus dem Vorgebirge führten Oberflächenwasser mit sich. Vor allem wenn es geregnet hatte, brachten sie oft Schlamm mit sich. Immerhin, man hatte die Gewässer aus dem Umland alle in einem Sammelbecken zusammengeführt, wo sich die Verunreinigung absetzen konnte, und von dort in einer niedrigeren Leitung zum Wasserkastell geführt. Diese alte Leitung ist jetzt schon seit Jahren stillgelegt, wir nutzen lediglich einen Teil von ihr als Fundament für die Stützpfeiler der Hochtrasse.«
»Sie ist also nicht mehr in Betrieb?«
»Nein, die alten Kanäle sind jetzt trocken.«
»Wohin fließt das Wasser, das man darin in die Stadt geleitet hat, jetzt?«
»In die alten Bachbetten. Die Kanäle verfallen allmählich. Wir warten sie nicht mehr.«
»Wie ist man denn ausgerechnet auf diese entfernten Quellen gekommen? Hätte man nicht näher an der Stadt auch ausreichend frisches Wasser gefunden?«
»Das Wasser aus der Eifel ist klar und kalkhaltig, und die Menschen, die dort leben, sind außergewöhnlich gesund. Das sprach dafür, diese entfernten Quellen zu nutzen.«
»Na ja, trotzdem erinnere ich mich auch an eine ziemlich schlammige Brühe, die vor einigen Wochen in die Becken der Therme floss.«
»Ich weiß, ich weiß, das kann schon mal passieren. Es hat eine undichte Stelle gegeben, durch die Grundwasser in den Kanal eingesickert ist. Einer der kleinen Erdstöße hat eine Verwerfung verursacht. Wir haben die Stelle gesucht und repariert.«
»Ich verstehe. Das ist also jetzt deine Arbeit.«
»Richtig. Solche Vorkommnisse sind ziemlich lästig und verursachen großen Aufwand. Aber wir haben bisher nicht zu viele Pannen gehabt, sieht man mal von dem einen oder anderen toten Hasen im Warmwasserbecken einer mir bekannten Therme ab.«
»Oh, mh... ja, ich verstehe.«
»Ja, jedes Mal, wenn wir den Kanal begehen, müssen wir die Wehre des Zulaufs eine Zeit lang schließen, und die Stadt ist ohne Wasser. Bisher ist es uns meist gelungen, das über Nacht zu schaffen.«
»In einer solchen Situation ist Regulus in den Kanal gestiegen.«
»Genau. Es gibt ein Wehr kurz vor der Hochleitung, das in jener Nacht abgesperrt war, weil wir einen Riss entdeckt hatten. Der Kanal sollte leer laufen, damit wir ihn ausbessern konnten. Aber jemand hat dieses Wehr wieder geöffnet.«
»Und somit Regulus ermordet?«
»Rufina, das würde ich nicht unterstellen. Der Statthalter hat eine Untersuchung anberaumt und ist zu dem Ergebnis gekommen, es sei ein Unfall gewesen.«
»Glaubst du das auch?«
»Warum nicht? Eine Verkettung unglücklicher Zufälle - Regulus sucht aus welchen Gründen auch immer den Schutz im Inspektionsschacht. Ein anderer, der das nicht weiß, macht das Wehr auf.«
»Warum sollte sich irgendjemand an den Wehren vergreifen?«
»Jupiter, vielleicht war es sogar einer meiner Arbeiter, der nicht wusste, was wir vorhatten.«
»Du hast Halvor beschuldigt.«
»Ja, auch die Germanen spielen uns manchmal derartige Streiche.«
»Ich weiß
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