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Rheines Gold

Titel: Rheines Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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und ein älterer Mann, klein, aber überaus stämmig, trat ihnen entgegen. Er hatte nur noch ein Auge, das andere lag geschlossen unter vernarbtem Gewebe. Doch schien er nur allzu gut zu erkennen, mit welch furchtbarer Kunde sie kamen. Auch die Schwangere war hinzugetreten, sah Rufina an und begann zu schreien.
    Rufina stieg ab und ging auf sie zu, doch die Frau wich vor ihr zurück. Weitere Frauen kamen hinzu, und der Einäugige gebot ihnen zu schweigen. Stumm hörten sie Silvian an, der ihnen schilderte, was sich im Wald abgespielt hatte.
    »Holdger!«, schluchzte die Schwangere. Und stieß dann einen Schwall Verwünschungen und Anklagen hervor. Silvian, der sich schützend neben Rufina gestellt hatte, sagte leise: »Sie klagt uns an, die Männer ermordet zu haben. Und sie klagt sich selbst an, uns den Weg gewiesen zu haben.«
    »Aber...«
    Der Einäugige befahl den Frauen, sie wegzuführen, und murmelte, zu Silvian gewandt: »Der Schmerz macht sie blind.«
    »Sarolf, wir sind unbewaffnet, nur zu zweit. Wir hätten nie vier Kämpfer wie sie überwältigen können.«
    »Ich weiß. Aber ihr seid die Künder des Unglücks. Darum verschwindet jetzt von hier.«
    »Selbstverständlich. Nur eine Frage noch. Ich glaube nicht, dass sie die beiden Frauen aus eigenem Antrieb entführt haben. Erkmar sagte noch, Aswin habe mit jemandem verhandelt. Weißt du, mit wem die Männer ein Geschäft gemacht haben?«
    Sarolf hob die Schultern.
    »Sie haben mich nicht eingeweiht. Verführung ist überall.«
    »Das ist richtig. Dennoch, versuch dich zu erinnern. Waren sie mit Römern zusammen?«
    »Vielleicht. Ich habe ihre Wege nicht verfolgt. Warum wollt ihr das wissen? Wollt auch ihr Rache nehmen?«
    »Nein, nur uns vor weiteren Gefahren schützen.«
    Es war eindeutig, der Einäugige war nicht bereit, selbst wenn er etwas gewusst hätte, weitere Auskunft zu geben. So verabschiedete sich Silvian von ihm.
    Rufina hatte die ganze Zeit unbeachtet daneben gestanden und hatte, mehr ratend als verstehend, doch der Unterhaltung folgen können.
    »Wir kehren zurück ins Lager, Rufina. Es ist zu spät, um jetzt noch in die Colonia zu reiten.«
    »Ja, ist recht.«
    Sie nahmen die Pferde an den Zügeln und durchquerten die Siedlung. Doch als sie am Waldrand aufsteigen wollten, trat eine ältere Frau auf sie zu. Sie zog Rufina am Ärmel.
    »Aswin«, sagte sie, und Bitterkeit schwang in ihren Worten mit. »Er traf sich mit Halvors Tochter.« Dann ging sie mit schnellen Schritten zurück zu den Häusern.
    Rufina sah ihr nach, dann stieg auch sie auf ihr Pferd.
     
    Die Arbeiter im Lager waren überrascht, die beiden so bald wiederzusehen, stellten aber keine Fragen. Silvian führte Rufina in seine Hütte, und sie setzte sich auf einen der Stühle.
    »Es war ein furchtbarer Tag, Rufina. Lass uns darüber sprechen. Du kannst nicht alles herunterschlucken.«
    »Nein, ich weiß. Aber - ich fühle mich, als sei in mir alles ganz taub und leer. Und dann wieder geht alles durcheinander.«
    Er reichte ihr einen Becher Wein.
    »Mir geht es ähnlich. Trotzdem, es mag ganz nützlich sein, das Geschehen mit etwas Abstand zu betrachten.«
    Rufina war ihm dankbar dafür. Zu viel hatte sie in der letzten Zeit alleine verarbeiten müssen.
    »Du hast Recht, natürlich. Aber Silvian, war es falsch? Sag mir, war es falsch?«
    »Nein. Es war die einzige Hilfe, die du ihm noch bringen konntest. Es war die mutigste Tat, die ich je erlebt habe. Ich wäre nicht fähig gewesen, es zu tun.«
    »Wolfrune hat es mir vorhergesagt.«
    »Wolfrune?«
    »Sie hat die Runen geworfen. Sie kann die Zeichen deuten. Ich glaube, sie sieht viel mehr als andere, und sie liest nicht nur in den Hölzchen.«
    »Sie ist mir unheimlich. Sie und der graue Wolf, mit dem sie umherstreift. Als wir die Gegend hier erkundeten, hat sie den Geomanten entsetzliche Angst eingejagt. Als wir uns der Quelle näherten, tauchte ein ganzes Rudel Wölfe aus dem Nebel auf. Ich weiß heute noch nicht, ob es Tiere oder Warge waren. Aber wahrscheinlich waren es nur in Wolfspelze gekleidete Männer.«
    »Sie ist die Hüterin der Quelle. Sie verfügt wohl über vielfältige Beziehungen. Ich habe große Achtung vor ihr gewonnen, Silvian.«
    Rufina verschwieg Silvian, was sie im Quellbecken gesehen hatte. Gold, so hatte Wolfrune gesagt, war ihr Unglück. Ganz sicher war auch das ein Grund, warum die Germanin Fremde nicht an ihre Quelle kommen lassen wollte.
    »Wolfrune wird niemandem schaden, der sie in Ruhe lässt. Aber

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