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Rheingau-Roulette

Rheingau-Roulette

Titel: Rheingau-Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sia Wolf
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auseinanderzusetzen.“
    „Hm, vielleicht ist nicht die Spontaneität im Alltag gemeint.“
    Alexandra seufzte. Natürlich nicht. Es ging um die unvorhersehbaren Gefühle, die sie zu Hannes entwickelt hatte. Ungewollt, zum Teil unbewusst und überhaupt nicht geplant oder gar erwünscht. Sie musste lächeln. Gina war mit der Idee vielleicht nicht weit weg von ihrer Realität.
    „Gar nicht so schlecht, der Ansatz. Aber wer weiß, dass ich etwas üben muss, und legt mir deshalb tote Ratten vor die Tür?“
    Gina lachte. „Keine Ahnung. Darum geht es auch nicht. Der Anlass ist das Eine, die Lehre, die du daraus ziehen kannst, das Andere. Nimm es einfach als etwas, aus dem du lernen kannst, und was dich auf deinem Weg vorwärts bringen wird. Genauso übrigens wie das teuflische Tempo, das wir jetzt anschlagen werden!“
    Sie grinste und erhöhte das Lauftempo deutlich. So deutlich, dass Alexandra ihre Kräfte auf die Bewältigung der Strecke konzentrieren musste, und sich nicht weiter mit den Ereignissen auf Hannes’ Hof befassen konnte.
     
    „Gina, ich werde heute Nachmittag wieder auf Hannes’ Hof sein. Ich muss dringend ein paar Sachen aus dem Stall holen. Wie wär´s? Hast du nicht Lust mitzukommen? Den Hof muss man mal gesehen haben, der ist ziemlich beeindruckend.“
    Sie hatten das Lauftraining beendet und machten ihre Dehnübungen. Gina bearbeitete ihre Wadenmuskeln und stöhnte. „Tut mir leid, es geht nicht. Ich hab heute Nachmittag einen Kunden und muss mich vorbereiten.“
    Alexandra grinste. „Um was geht´s denn? Heilsteine?“
    „Auch. Es geht um Energiearbeit.“
    „Energiearbeit? Die werde ich auch leisten. Ich werde mich durch jede Menge feinstofflichen Staub arbeiten müssen und Kartons durchsuchen.“ Sie winkte Gina zu. „Mach‘s gut. Bis übermorgen!“ und trabte in Richtung ihres Hauses weg. Caro brachte sie mit dem Auto zu Hannes, wo sie gemeinsam die Umzugskartons durchwühlten. Zwei Kisten mit Büchern und Therapiespielen nahmen sie mit in die Praxis.
    „Willst du heute Abend mit uns zu Sändi fahren?“
    „Warum, ist es so kompliziert, zu ihr zu finden?“
    Sändis Party fand heute Abend statt und Alexandras Auto sprang nicht mehr an. Defekt stand es seit drei Tagen vor ihrer Gartentür.
    „Nein, kompliziert nicht. Aber es ist etwas außerhalb des Ortes.“
    „Gern. Wann?“
    „Na, so gegen sieben?“
    „Bis dann!“ Caro verabschiedete sich und ließ Alexandra allein.
     
    Als sie sich für die Party umzog, bemerkte sie, dass einer ihrer Ohrringe fehlte. Sie suchte alles ab, aber konnte den Stecker nicht finden. Stirnrunzelnd überlegte sie. Das letzte Mal trug sie die Ohrringe, als sie bei Hannes auf dem Hof war. Das war über eine Woche her. Warum war ihr nicht aufgefallen, dass sie abends nur einen Ohrring ausgezogen hatte? Vermutlich wegen des Fahrrad-Stresses. Seufzend rief sie Hannes an. Nur sein Anrufbeantworter war dran.
    „Hallo Hannes, hier ist Alex. Ich vermisse einen Ohrring, habe ich den vielleicht bei dir verloren? Kannst dich ja melden, wenn du zu Hause bist. Tschüss.“ Sie hatte gerade aufgelegt, als Hannes zurückrief.
    „Sorry, ich war gerade noch im Atelier. Tut mir leid, aber bisher habe ich keinen Ohrring gefunden. Wenn du magst, hol ich dich ab, dann kannst du selber noch mal schauen.“
    Sie verabredete sich mit Hannes und rief Caro an, um ihr abzusagen.
    „Du fährst nicht mit? Warum nicht? Aber du kommst doch, oder?“
    „Ja, natürlich komme ich. Ich habe gerade mit Hannes telefoniert. Ich muss noch mal auf den Hof und er holt mich netterweise ab und nimmt mich mit zu Sändi.“
    „Er holt dich netterweise ab? Was ist denn mit euch los?“
    „Nichts. Ich muss nur noch mal auf den Hof. Ich hab was verloren, das muss noch bei ihm im Haus liegen.“
    „Was denn?“
    Alexandra seufzte. Sie wusste, wenn sie Caro erzählte, dass sie einen Ohrring vermisste, würde sie eine spitze Bemerkung kassieren.
     
    Sein Schlafzimmer war viel größer als sie es in Erinnerung hatte. Südstaatenatmosphäre war ihr erster Eindruck. Gedämpftes Sonnenlicht tauchte den Raum in einen melancholischen Zustand der Irrealität. Alexandra schüttelte den Kopf. Alles hier auf diesem Hof und in diesem unglaublichen Haus war irreal. Sie, Hannes, die Situation. Sie sah sich um. Die Wände waren im unteren Bereich dunkelrot gestrichen und vereinzelt mit cremeweiß durchscheinenden Putten bemalt. Eine über die ganze Wand gezogene metallene Ablage, auf der einige wenige

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