Rheingau-Roulette
ihre letzten Sachen zusammen und schloss die Praxis hinter sich ab.
Als sie auf dem Hof ankam, war die Party in vollem Gange. Hannes hatte nicht nur Tische und Bänke aufgestellt, er hatte sie vor die geöffneten Ateliertüren gestellt und die Ausstellungsbeleuchtung angemacht, die sanft das Licht nach außen strahlte. Wenn es dunkel werden würde, würde der sichtbare Teil der Ausstellung wie ein Dschungel wirken, dachte Alexandra, als ihr Blick auf das Arrangement fiel. Auf den Tischen standen kleine Teelichter in Gläsern und Doro hatte mit Caro mitten im Hof das Büfett und seitlich davon die Getränke aufgebaut. Außer den verbliebenen offiziellen Gästen waren die üblichen Verdächtigen mit ihren Kindern im Hof. Es war laut, warm und umwerfend schön, wie Alexandra feststellte und ihr wurde warm ums Herz.
Oliver saß neben Andrea und plauderte. Alexandra warf ihr einen Blick zu, der fragte: „Nervt er dich?“, aber Andrea nickte ihr beruhigend zu. Frank und Hannes standen am Grill, drehten eifrig das Fleisch und die Würstchen und planten dabei ihren nächsten Motorradausflug. Doro hatte ihre Rolle als Kellnerin noch nicht abgelegt und zog durch die Stuhlreihen, um die Gäste zu fragen, was sie trinken wollten. Caro stand mit Stella am Kinderwagen und sie unterhielten sich über das Baby, das friedlich schlummerte. Alexandra zog plaudernd von einem Gast zum anderen, bis sie schließlich bei Fritzi und Johanna landete.
„Vielen lieben Dank für eure Putzaktion in der Praxis!“
„Gern geschehen.“ Fritzi, eigentlich Friederike, lächelte sie an. „Du kannst dich bei unserer Praxiseinweihung revanchieren!“
Überrascht sah Alexandra abwechselnd Johanna und Fritzi an. „Ach. Ihr also auch. Wann denn und wo?“
„Im Oktober. Wir gehen in den Norden, du musst also keine Angst vor unserer Konkurrenz haben.“
Alexandra lachte. „Das ist immer das Schlimme. Kaum hat man sich niedergelassen, beobachtet man alle angestellten Kollegen mit Argusaugen. Könnte ja sein, dass sie sich auch niederlassen wollen.“
Johanna lächelte ihr süßes Madonnenlächeln. Ihre dunklen langen Haare hatte sie zu einem Zopf gebunden, der wie ein Pferdeschwanz vom Oberkopf baumelte. „Sag Oliver nichts. Er weiß noch nicht, dass wir bald kündigen.“
„Hm. Was ist bei euch in der Praxis los? Und was ist mit Oliver los?“
Fritzi und Johanna wechselten einen schnellen Blick, bevor Fritzi ihre Brille zurechtrückte, sich schnell in Olivers Richtung drehte, um zu sehen, ob er ihre kleine Tratschrunde wahrnahm und leise sagte: „Leila hat ihn beschissen. Er ist nicht der Vater des Kindes.“
Alexandra summte es in den Ohren. Das konnte doch nicht wahr sein, oder? „Das ist nicht wahr, oder?“
„Doch.“
Entgeistert schüttelte sie den Kopf. Ihr ganzes Leben war auf den Kopf gestellt, weil Leila einen Vater für ihr Kind brauchte und sich Oliver dazu auserkoren hatte? Fassungslos ließ sich Alexandra auf die Bierbank vor sich sinken. Das konnte doch nicht sein. Verstört stotterte sie.
„Dddas glaub ich nicht!“
Entsetzt sah sie ihre beiden ehemaligen Angestellten an.
Fritzi legte ihre Hand auf ihren Arm. „Doch. Es stimmt wirklich. Leider muss man fast sagen.“
„Wirklich und wahrhaftig“, unterstützte Johanna die Aussage ihrer Freundin.
Bestürzt und stumm sah Alexandra in Olivers Richtung und versuchte, sich an Leila vor der Schwangerschaft zu erinnern. Was hatte diese Frau nur gegen sie? Und warum Oliver? Warum musste sie eine intakte Beziehung zerstören und sich ausgerechnet ihren Mann aussuchen, um einen Vater für ihr Kind zu haben? Alexandra rief sich zur Ordnung. Nein, intakt war ihre Beziehung nicht, das konnte sie in der Rückschau deutlich sehen. Aber sie hatte funktioniert und sie hätte auch weiter funktioniert. Bis zu dem Tag, an dem eine andere Leila oder ein anderer Hannes erschienen wäre. Nein. Nicht ‚ein anderer’ Hannes. Es hätte schon das Original sein müssen. Alexandra zog leise schnaubend die Schultern hoch. Immerhin konnte sie schon vor sich selber zugeben, dass sie an Hannes interessiert war. Selbst wenn sie noch in einer Beziehung gewesen wäre, hätte sie ihr Interesse an ihm nicht verstecken können.
Fritzi blickte zu Oliver und räusperte sich. „Es geht ihm wirklich schlecht. Er ist total vernarrt in den Kleinen und darf ihn jetzt nicht mal mehr sehen.“
„Alex? Alles klar bei dir?“ Johanna legte ihr die Hand auf den Arm. „Wir haben lange überlegt, ob wir
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