Rheingau-Roulette
hast. Da musst du dir eine Andere suchen.“ Alexandra nickte ihm freundlich zu und ließ ihn stehen. Auf dem Weg zu Caro bemühte sie sich, ihren Gang gleichmütig aussehen zu lassen. Sie wusste, dass Oliver ihr nachsah und auch wenn sie sich den Anschein abgeklärter Haltung gegeben hatte, so sah es in ihrem Inneren ganz anders aus.
„Das sah wie eine Abfuhr aus!“ Caro sah sie neugierig an.
„Das war eine. Und zwar eine komplette.“ Alexandra ließ sich neben sie auf die Bank sinken. „Und ich bin innerlich völlig aufgelöst.“
„Warum?“
„Ich weiß nicht. Vielleicht, weil ich die ganze Zeit unter Hochspannung stehe. Du weißt schon. Tote Ratten, Hausbrand, Praxiseröffnung ...“
Caro lachte: „Nicht zu vergessen ein irritierender Bildhauer ...“ Sie drückte ihre Cousine an sich. „Ich bin stolz auf dich, Alex. Du hast das hier alles toll hingekriegt, obwohl du mit Ratten, Brand und Hannes Probleme hattest. Und Olli wird es verkraften. Er ist trotz allem ein netter Kerl und irgendwann könnt ihr bestimmt wieder normaler miteinander umgehen.“
Alexandras Blick war zweifelnd als sie ihren Kopf an Caros Schulter sinken ließ. „Meinst du wirklich? Ich weiß gar nicht, ob ich das will.“
„Tanzen?“ Hannes stand hinter ihr und hatte ihr die Hände auf die Schulter gelegt. „Du weißt nicht, ob du tanzen willst?“
„Oh nein, Hannes, bitte jetzt nicht. Ich bin gerade ein bisschen durch den Wind und brauche die aufbauende Nähe meiner Cousine!“
„Tanzen!“ Er hatte sie am Handgelenk gefasst und hochgezogen. „Du bist mir noch was schuldig!“ Er lächelte sie süß an, aber die Hand, die sie vom Sitz hochgezogen hatte, machte deutlich, dass Widerstand zwecklos war. Jedenfalls, bis sie vor ihm stand. Dann ließ er sie los und schob sie in Richtung der Tanzfläche. Nach dem Termin der Praxiseröffnung, den er als offizieller Vertreter seiner Krankenkasse absolviert hatte, hatte er sich umgezogen. Er trug die schlammfarbene Hose, die er schon auf Andreas Party anhatte und ein schwarzes, ärmelloses T-Shirt mit dem weißen Aufdruck „H5N2 - ich habe überlebt!“ Die fehlenden Ärmel ließen sein Tattoo auf der Schulter und dem Arm sichtbar werden. Er sah entspannt aus, aber Alexandra hatte das Gefühl, auf der Hut sein zu müssen.
„Aufbauende Nähe kannst du auch bei mir haben!“
Zweifelnd sah sie ihn an. „Wenn du meinst.“
„Meine ich.“
„Also gut. Aber nur ein Tanz. Und nichts Anstrengendes!“
„Wir werden sehen.“ Er zog sie auf den Bereich, den Doro und Fritz zur Tanzfläche umgestaltet hatten.
Die Musik war nicht live, Doros Band hatte einen anderen Auftritt und konnte nicht kommen. Aber Fritz hatte sich bereit erklärt, als DJ zur Verfügung zu stehen und spielte von Klassik bis Rock alles, was er gut fand. Gerade hatte er seine italienische Phase und spielte „Sempre Sempre“ von Al Bano.
„Also, wie wollen wir vorgehen?“
Irritiert sah Alexandra ihn an. „Was meinst du?“
„Nun, ich erinnere mich, dass wir noch Klärungsbedarf in einer bestimmten Sache haben.“ Er drehte sie über die Tanzfläche und Alexandra musste sich auf die Schrittfolge konzentrieren.
„Oder hast du das vergessen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Vergessen nicht. Aber versucht zu verdrängen.“ Seufzend sah sie ihn an, während er eine verzwickte Tanzfigur mit ihr vollzog. „Es tut mir leid.“
„Was? Dass du mir ständig auf die Füße trittst?“ Er grinste sie an.
„Entschuldige. Du tanzt gerade so kompliziert, ich komme nicht mit!“
Sie machten ein paar schweigsame Schritte, bis sie wieder im Einklang mit dem Takt der Musik und ihren Füßen tanzten.
„Also, noch mal von vorn. Du hast dich gerade entschuldigt? Für was genau?“
Alexandra seufzte wieder. „Für die Schwierigkeiten, die du bekommen hast, weil ich eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen dich eingeleitet habe. Das tut mir leid. Ein bisschen jedenfalls. Aber ...“ Sie trat ihm absichtlich auf die Füße. „... du hattest es verdient!“
Er war mit ihr an den Rand der Tanzfläche, bis vor das große Tor des Ateliers getanzt und zog sie in den klimatisierten Raum, in dem außer den stummen Figuren niemand war. Die Musik war deutlich leiser als draußen auf dem Hof und die Lautstärke für eine Unterhaltung besser geeignet. Er hatte sie losgelassen und sie standen voreinander ohne sich zu berühren.
„Ich hatte es verdient?“
„Natürlich. Du hast mir Schwierigkeiten gemacht. Warum
Weitere Kostenlose Bücher