Rheingau-Roulette
den beiden Frauen zu. Es war nicht zu glauben. Und sie verspürte Mitleid mit Oliver, der vor zwei Wochen einen Sohn verloren hatte, und sicherlich ebenso litt, wie sie damals, als sie von seiner vermeintlichen Vaterschaft erfuhr. Sie hatte Mitleid, aber sie hatte keine Lust, ihm Trost zu spenden. Dafür sollte er sich eine andere Schulter zum Ausheulen suchen, schließlich war sie seine Exfreundin und nicht seine Mutter. Sie holte eine Flasche Sekt und goss sich und den beiden Frauen an ihrem Tisch ein.
„Prost, Mädels. Auf eure gemeinsame Zukunft in eurer neuen Praxis und meine Zukunft in meiner Praxis. Lassen wir die Dämonen der Vergangenheit ruhen.“
„Prost Alex.“ Fritzi und Johanna erhoben die Gläser und stießen mit ihr an. „Auf unser Wohl!“
Sie musste doch mit Oliver sprechen. Er hatte eine günstige Gelegenheit abgewartet und passte sie ab, als sie gerade etwas zu essen vom Buffet holte.
„Sie haben es dir vorhin erzählt?“ Oliver stand neben ihr. Alexandra sah zu ihm auf.
„Ja. Tut mir leid für dich“, sagte sie knapp und wandte sich dem Salat zu.
„Mehr willst du mir nicht sagen?“
Alexandra stellte überrascht den Teller vor sich ab und sah ihn ruhig an. „Was erwartest du?“
Er zuckte mit den Schultern und rieb sich die Haare aus dem Gesicht. „Vielleicht etwas mehr Mitgefühl? Mir geht es ziemlich beschissen.“
„Du, da geht es dir jetzt nicht viel besser als mir letztes Jahr zu Nikolaus!“
„Mensch Alex. Der Vergleich hinkt. Du hast nicht schon ein halbes Jahr mit einem Kind gelebt und es im Glauben gefüttert, es sei deins.“
Alexandra spürte einen Schmerz im Herzen, einen Schmerz, der wie der Schnitt eines zarten Glases war, dessen Bruchränder ihr scharf und spitz, wie Stachel, ins Herz drückten. Die Erinnerung an die Fehlgeburt und an Leilas selbstzufriedenes Gesicht, als sie ihr sagte, dass Oliver der Vater ihres Kindes sei.
„Olli, kannst du dich daran erinnern, dass ich dich gefragt habe, ob du in Leila verliebt bist? Du könntest die Gefühle für mich und Leila nicht vergleichen, hast du gesagt. Du konntest oder wolltest mir die Frage damals nicht beantworten. “
„Kann ich auch jetzt nicht.“ Man konnte ihm anmerken, dass ihm das Thema unangenehm war.
Alexandra nickte. „Was ist mit dem Kind?“
Er stand neben ihr, den Blick auf einen unbestimmten Punkt im Stall gerichtet und schwieg einen Moment. Bitter klang seine Stimme, als er leise sagte: „Ironie des Schicksals, oder? Erst verlasse ich die Frau, mit der ich liebend gern ein Kind gehabt hätte und nicht bekam, für eine Andere, die behauptet von mir schwanger zu sein und dann bin ich doch nicht der Vater.“
Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Fast könnte sie ihrem inneren Gefühl der Rachelust folgen, aber sie rief sich zur Ordnung. Den Verlust eines Kindes, egal wie der Verlust zustande kam, hat niemand verdient. Und der Schmerz, der auf diesen Verlust folgt, war allgegenwärtig. Daran konnte sie sich nur zu gut erinnern. Alexandra schob den Teller zur Seite. Der Appetit war ihr vergangen. Sie fühlte seine Hand an ihrem Arm.
„Es gibt kein Zurück, oder?“ Sein Blick war intensiv auf sie gerichtet und Alexandra wusste, auch wenn er leicht angetrunken war, seine Frage war ernst gemeint.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Das gibt es nicht.“
„Wegen ihm?“ Er wies in Hannes Richtung, der mit Andrea tanzte.
Alexandra lächelte. Darauf lief es also hinaus. „Nein. Wegen dir.“
„Du bist nicht gerade eine Packung Heilerde auf meiner verwundeten Seele!“
Seine Tonlage hatte einen leisen vorwurfsvollen Anklang und in Alexandra machte sich der Zorn bereit, langsam aufzusteigen. Dieser vorwurfsvolle Ton stand ihm nicht zu. Nicht nach seinem Betrug und dem Schmerz, den er ihr zugefügt hatte.
„Olli, lass es gut sein. Ich muss mich nicht rechtfertigen. Und ich habe hart gearbeitet, um mich mit unserer Trennung abzufinden. Aber jetzt bin ich damit durch. Es gibt kein Zurück für uns beide als Paar. Wenn ich ehrlich bin, noch nicht mal als Freunde.“
Er schluckte, sichtbar erschüttert von ihrer Härte. „Das war ein Tiefschlag. So kenne ich dich gar nicht.“
Versöhnlich sah Alexandra ihn an. „Möglich, dass du mich so nicht kennst.“ Sie strich ihm leicht über den Arm. „Vielleicht können wir Freunde werden, wenn genügend Zeit verstrichen ist. Irgendwann mal. Aber ganz sicher werde ich dich nicht trösten, weil du Leila und das Kind verloren
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