Rheingau-Roulette
einen Weg in das hintere Zimmer zu bahnen. Genauso voll wie das Durchgangszimmer war auch dieser Raum. Auch hier fanden sie Weinkisten.
„Hatte Oma ein Weinabo?“
Alexandra machte eine neue Kiste auf, in der sie diesmal eine Auswahl spanischer Weine vorfand. „Ich brauche in meinem ganzen Leben nie wieder Wein kaufen!“
„Noch besser, du kannst eine Weinhandlung aufmachen“, sagte Caro und zählte die Weinkisten, die zum Teil von Kleidersäcken verdeckt wurden.
„Hier stehen noch mal ungefähr fünfzig Kisten. Wenn ich das überschlage, hast du ungefähr viertausendachthundert Flaschen Wein! Wie zum Henker hat Oma die hier hinschleppen können?“
„Wahrscheinlich hat das der Lieferant gemacht. Ist doch ein gutes Geschäft. Die Alte, die den Wein kauft, ohne welchen zu trinken und eine Bude hat, in der man das lagern kann, ohne dass es den Angehörigen auffällt.“
„Mach mir kein schlechtes Gewissen!“ Caro kaute sich auf den Lippen. „Ich hätte hier öfter vorbeigucken müssen und nach dem Rechten sehen!“
„Quatsch Caro, so war das nicht gemeint.“ Alexandra nahm ihre Cousine in die Arme. „Das Gleiche gilt für mich. Wir haben die gleiche Verantwortung gehabt!“
„Verstehen tue ich das hier trotzdem nicht. Ich habe doch die Unterlagen von Oma geordnet und mir sind keine Rechnungen aufgefallen. Ein Abo kann es also nicht sein.“
„Vielleicht eine Art fliegender Händler?“ Alexandra überlegte weiter. „Könnte doch sein, dass hier immer einer vorbei kam. Bestimmt so ein schmieriger, alter gieriger Raffzahn, der harmlose Rentner übern Tisch zieht.“
Sie stapelten die Kartons, soweit es möglich war, im vorderen Raum und warfen die Säcke aus dem Fenster in den Garten. Neben den Säcken und Kisten standen in dem Raum tatsächlich noch ein altes Bett mit Nachtschrank und ein alter Kleiderschrank. Caro öffnete den Schrank und fand eine Hutschachtel. Als sie den Deckel öffnete, blickte sie auf eine Flut von Fotos, ungeordnet, unverkennbar alt und vergilbt.
„Alex!“ Caros Stimme schien zu brechen. „Alex. Fotos!“
„Caro“, sanft nahm Alexandra ihrer Cousine die Hutschachtel aus der Hand. „Caro, das sind alte Fotos. Schau mal. Hier, das muss aus Omas Jugend gewesen sein.“
Caro nickte bekümmert. „Ist schon klar. War nur der erste Moment.“ Seufzend ließ sie sich die Fotos durch die Hände gleiten und ließ die Hände auf dem Rand der Schachtel liegen. Traurig sah sie ihre Cousine an, die ihr zart über den Arm streichelte.
„Du kannst die Schachtel trotzdem mitnehmen und in Ruhe durchsehen. Ich stelle sie dir nach unten.“
Caroline nickte stumm.
Als Alexandra die Hutschachtel in den Wohnraum legte, klingelte es an der Haustür. Arno stand lässig mit mehreren Kartons mit der Aufschrift ‚Pizzeria Francesca’ in der Hand vor der Tür.
„Komm rein.“ Sie machte eine einladende Handbewegung. Arno drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
„Na, wie weit seid ihr? Schon was gefunden?“
„Ein bisschen was.“ Alexandra rief die Treppe hoch: „Caro? Komm runter, dein Göttergatte hat unsere knurrenden Mägen gehört und Pizza mitgebracht!“
„Pizza, bei der Hitze? Auf so einen Gedanken kann nur ein Mann kommen. Warum hast du keinen Salat dabei?“
„Weil ich meine Frau kenne ...“
Arno hielt grinsend eine Schachtel mit Salat hoch. „Meckern, bevor man alle Fakten kennt. Typisch Weib!“
„Ich liebe dich auch!“ Caro küsste Arno, der ihr einen Klaps auf den Hintern gab.
„Also Mädels, was gibt es Neues?“
Als sie beim Essen saßen, erzählten sie Arno von den Weinkisten. Der kam nach einer kurzen Besichtigung der oberen Räume wieder die Treppe herunter. „Alle Achtung. Da ist ja für die nächste Fete ausgesorgt.“
„Kennst du jemanden, der hier regelmäßig als fahrender Händler Wein verkauft?“, fragte Alexandra Arno.
„Nee, keine Ahnung. Was wirst du mit den Säcken machen, die die Einfahrt versperren?“
„Ins Auto laden und in Kleidercontainer bringen. Hoffentlich gibt´s genug davon in der Gegend. Keine Ahnung, warum Oma diese Klamotten aufbewahrt hat.“
„Du solltest Herta fragen, die Frau vom alten Friedhofsgärtner“, sagte Caro. „Die hat mal eine Zeitlang für irgendwelche Aktionen gesammelt, vielleicht kann die was mit den Klamotten anfangen.“
Nach dem Essen mussten Arno und Caro nach Hause und Alexandra fuhr zu Herta, einer robusten und energischen Frau, die sich über die Säcke mit Altkleidern freute. „Ich
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