Rheingau-Roulette
animieren, war offensichtlich. Und nicht untalentiert, wie Alexandra angenehm berührt feststellen musste.
„Wohlsein. Du kannst auch einen Schnaps dazu haben, wenn du magst.“ Er reichte ihr einen Cocktail.
„Später vielleicht.“ Alexandra hob das rot-orange leuchtende Getränk und prostete Thessmann zu, der sie fragend über sein Glas hinweg ansah.
„Also. Was ist mit Hannes?“
Alexandra erzählte, was bei Caro vorgefallen war. Sie hob die tiefere Bedeutung, die Hannes für sie hatte, nicht hervor. Ebenso wenig, wie sie ihre heimliche Überwachung von Hannes erzählte. Aber sie erzählte von dem Scheren-Anschlag durch Judith auf sie und von Hannes’ Verdacht, dass Judith mit Franks Tod zu tun habe. Und sie erzählte sogar von Oliver und ihrem verlorenen Kind. Als sie fertig war, sah sie auf ihre Hände und schwieg.
Auch Thessmann sagte nichts. Das Schweigen dauerte einen Moment, dann rutschte Thessmann zu ihr aufs Sofa und legte den Arm um sie. Sofort begann Alexandra zu weinen und der Strom der Tränen hörte und hörte nicht auf. Sie hatte den Kopf an seine Brust gepresst und er hatte die Arme um sie geschlungen. Die Lippen in ihre Haare gedrückt, murmelte er leise Trostworte und wiegte sie hin und her. Alexandra hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Erschöpft und abgespannt saß sie neben Thessmann, ihre Hände fest mit seinen verschränkt.
„Hast du ein Taschentuch für mich?“
Er sagte lächelnd: „Ein ganzes Päckchen, wenn du es brauchst.“ Vorsichtig löste er sich von ihr und stand auf. Als er zurückkam, hatte er Taschentücher dabei und eine Flasche Wein.
„Was hältst du davon, wenn wir zusammen etwas kochen? Den Wein dazu habe ich schon mitgebracht.“ Er lächelte sie liebevoll an. „Du weißt doch, Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen!“
Schwach lächelte ihn Alexandra an. „Und du weißt doch, dass Kochen nicht meine starke Seite ist.“
Thessmann nickte. „Hab ich schon gehört.“ Er ließ sich wieder neben sie auf das Sofa fallen. „Wenn ich ehrlich bin, ist es auch nicht meine stärkste Seite. Aber wir können es uns einfach machen.“ Er stupste sie zart mit dem Ellbogen an.
„Spaghetti aglio e olio kriegen wir zusammen hin, was meinst du?“
Alexandra sah ihn an. Seine dunklen Haare standen etwas widerspenstig zur Seite und verliehen ihm einen leicht verwegenen Ausdruck. Er sah jung und fröhlich aus. Seine ausgeglichene Stimmung verbreitete die Leichtigkeit eines heiteren Sommerabends. Es war ein angenehmes Gefühl, neben ihm zu sitzen und die Aussicht, den Abend mit ihm und ein paar Knoblauchnudeln zu verbringen, war durchaus verlockend.
„Kommt auf den Wein an! Zeig mal“, sagte sie schnell, bevor sie sich es vielleicht doch noch anders überlegen würde.
„Verstehst du etwas von Wein?“
„Nicht wirklich. Ich habe nur von meiner Oma einen Weinbestand von etwa viertausend Flaschen geerbt.“
„Was? Hat deine Oma Wein gesammelt?“
Alexandra zuckte mit den Schultern. „Scheint so. Besonders viel getrunken hat sie jedenfalls nicht, soweit ich weiß. Kein Mensch weiß, woher sie den ganzen Wein hatte. Die ganze obere Etage stand voll verschlossener Weinkartons, als ich eingezogen bin.“
Thessmann hielt ihr die Flasche hin: „Bardolino. Ein guter Rotwein, wie ich finde. Zwölf Komma fünf Volumenprozent, schmeckt frisch und fruchtig und ist ausgesprochen gut als Begleitung zu Pasta geeignet.“ Er sah sie an. „Na, was meinst du?“
Alexandra nickte. „Auf in die Küche. Vielleicht hilft es ja. Aber vorher muss ich ins Bad.“
Thessmann zeigte ihr die Tür, die in ein kleines privates Badezimmer führte. Ein schmaler, weiß gekachelter Raum, der das Nötigste enthielt. Eine Toilette, ein Waschbecken mit einem Spiegelschrank und eine Badewanne, die mit einem bunten Duschvorhang versehen war. Ihre Augen waren rot und geschwollen und Alexandra fühlte sich einmal mehr vom Schicksal ungerecht behandelt. Andere Frauen sahen selbst verheult noch attraktiv aus. Jedenfalls im Fernsehen. Sie nicht. Sie sah aus, wie man als Frau nicht aussehen mag. Rotnasig, verquollen und mit verschmierter Schminke, die sich im gesamten Gesicht verteilte. Hastig wusch sie sich die Reste der Wimperntusche aus dem Gesicht und versuchte durch das kalte Wasser die Schwellungen unter den Augen etwas zu kaschieren. Zwecklos. Sie würde Kompressen über mehrere Stunden brauchen, um diese Wülste aufzulösen. Seufzend trocknete sie sich ab und verließ das Bad in
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