Rheingau-Roulette
Richtung Küche.
Die Küche war groß und funktionell, aber auch langweilig eingerichtet. Es war die Küche eines Junggesellen, der hier außer Fertiggerichten und hin und wieder ein paar Nudeln keine weiteren nennenswerten Aktivitäten in die Tat umsetzte. Thessmann hatte den Wein bereits eingeschenkt und sie stießen miteinander an. „Prost. Hoffentlich erfährst du genug Trost bei mir!“
Alexandra lächelte ihn an und nickte. Doch. Er konnte trösten. Sehr gut sogar. Seine Arme und seine Brust vermittelte ihr Trost, mehr und besser als ihr lieb war. Sie schälte und schnitt den Knoblauch, während er die Nudeln aufsetzte. Er hatte den CD-Spieler angemacht, leise tönte klassische Musik durch die Küche.
„Was hast du da für Musik angemacht?“
Er grinste. „Ich weiß nicht, ob ich dir das sagen kann.“
„Wieso?“
„Weil es ein wenig ... hm“, er räusperte sich, „nun ... sagen wir, weil es ein wenig anzüglich aufgefasst werden könnte.“
„Die Musik könnte anzüglich aufgefasst werden?“ Erstaunt sah ihn Alexandra an. „Von mir? Was ist denn an klassischer Musik anzüglich? Oder betrifft das nur diese CD?“
Er sah konzentriert in den Topf auf dem Herd und gab Salz in das kochende Wasser.
„Kennst du den Bolero?“
Alexandra lächelte. „Klar. Wer kennt ihn nicht. Und ich kenne auch den Film. Aber“, sie nickte zum Lautsprecher hin, „das ist nicht der Bolero.“
„Nein, der kommt noch.“
Thessmann nahm ihr das Messer aus der Hand. Dicht vor ihr blieb er stehen und sah sie an. Der Schalk blitzte aus seinen Augen.
„Die ganze CD heißt ‚Klassik zum Kuscheln’. Und der Bolero ist der Höhepunkt, er kommt zuletzt. Dreizehn Minuten Komma siebenundvierzig Sekunden!“
Alexandra musste lachen. Laut lachen.
„Verdammt lange für einen Höhepunkt.“ Sie reichte ihm das Brettchen mit dem geschnittenen Knoblauch und Thessmann schob die zarten Scheibchen mit dem Messer vom Brett in das heiße Öl. Sanft blubberte die Mischung und der Duft des gebratenen Knoblauchs zog durch den Raum.
Thessmann wandte sich Alexandra zu.
„Du sollst nicht fluchen. Nicht in der Küche des Herrn.“ Sein Ton klang streng, aber die Miene war amüsiert.
„Und du, mein Lieber, solltest aufpassen. Ein Höhepunkt von dreizehn Minuten Komma weiß ich nicht! Führt nicht die sündige Versuchung zur ewigen Verdammnis?“
Sie hatten die Gläser geleert und Thessmann schenkte Wein nach. Er lachte und sagte trocken: „Hm. Bist du die sündige Versuchung oder die Verdammnis?“
„Ich bin ein Weib. Für einen Mann des Glaubens kann das nur die Verdammnis sein.“ Alexandra lächelte ihn an. Es machte Spaß mit ihm zu flirten. Sie war froh in seiner Küche zu stehen, Bardolino zu trinken und sich mit ihm zu necken. „Die sündige Versuchung ist im Topf!“
„Nicht mehr lange. Dort oben im Schrank sind die tiefen Teller, die kannst du mir geben und dann kannst du im Esszimmer den Kronleuchter anschmeißen.“
„Du hast einen Kronleuchter?“
„Nein. Nur eine furchtbar hässliche Deckenlampe. Ein Erbstück meines Vormieters.“
Alexandra reckte sich, um an den Schrank mit den Tellern zu kommen. „Ich bin zu klein. Ich komme nicht dran.“
Thessmann stellte sich hinter sie, griff ihr rechts und links in die Taille und hob sie sanft an. Seine Hände rutschten unter ihr T-Shirt, seine Fingerspitzen berührten die Unterseite ihrer Brüste und blieben sanft auf ihrer blanken Haut liegen. Leise Unruhe machte sich in Alexandra breit.
Er drehte sie um und küsste sie zart auf den Mund. Dann stellte er sie auf dem Boden ab und nahm die Teller aus dem Schrank. Verwirrt sah ihn Alexandra an.
„Harald ...“
„Was?“
„Das ist nicht das, weshalb ich gekommen bin!“
„Du bist gekommen? Habe ich gar nicht gemerkt!“ Er füllte die Nudeln auf die Teller und schüttete die Soße direkt aus dem Topf darüber.
Alexandra musste leise lachen. „Du weißt schon, was ich meine!“
„Weiß ich das?“ Er sah sie nachdenklich an und kam einen Schritt auf sie zu. Er stand vor ihr und sagte nichts. Jedenfalls einen Moment lang. Dann sagte er ernst: „Hier, bitteschön. Dein Teller.“
„Harald, bitte!“
„Es muss ‚Danke’ heißen.“ Der Schalk in seinen Augen war zurück und unübersehbar.
„Du sollst mich nicht so küssen.“
Er stellte seinen Teller ab und nahm sie in die Arme. „Wie denn dann?“
„Gar nicht!“
Er lachte. „Touché. Komm, wir gehen essen, sonst verhungere ich vor deinen
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