Rheingau-Roulette
hübschen Augen. Vergiss dein Glas nicht!“
Bis sie ihr Glas und den Teller in der Hand hatte wartete er, dann ging er voran in das Esszimmer. Eine der geschlossenen Türen im Flur öffnete er mit dem Ellbogen und Alexandra stand in einem Zimmer, das mit einem großen hölzernen Tisch ausgestattet war. Um den Tisch standen acht Stühle und über dem Tisch prangte eine der hässlichsten Lampen, die sie jemals gesehen hatte.
Die Lampe bestand aus einer eierschalfarbenen Schale, die satellitengleich von fünf kleineren Schalen in der gleichen Farbe umgeben war. Aufgehängt an grausig verzierten, schlammfarbenen Haltern, die mit rustikalen Elementen aus Eiche versetzt und um die Schalen herum verschlungen waren.
Alexandra sah Harald an. „Diese Lampe löst Brechreiz aus!“
Er seufzte. „Schau nicht hin. Ich bin seit einem halben Jahr dabei, einen würdigen Ersatz zu finden. Wusstest du, dass Lampen kaufen entsetzlich schwierig ist?“
„Nur, wenn man ein Mann ist.“
Er zog die Augenbrauen hoch. „Ach. Und Frauen finden leichter Lampen? Na dann weiß ich ja, wer mich demnächst zum Lampen-Kauf begleiten wird.“
Alexandra gluckste. „Ja. Ich auch. Sändi!“
„Sändi? Wie kommst du auf Sändi?“
Sie setzten nebeneinander an eine Tischecke und begannen zu essen. Die Flasche Wein hatten sie schon bis auf einen kleinen Rest geleert.
„Sändi hat ein Händchen für Dekoration.“
„Aha. Und wofür hast du ein Händchen?“
Alexandra seufzte und schob ihren halbleeren Teller von sich weg. „Ich habe ein Händchen für dämliche Situationen. Ich habe keine Ahnung von Technik, aber ich kann auch nicht kochen und nicht backen. Ich bin im Garten eine Niete. Meine künstlerisch-kreativen Fähigkeiten gehen über das Malen nach Zahlen nicht hinaus. Also als Pfarrersfrau bin ich denkbar ungeeignet.“
Thessmann grinste. „Nein. Nicht grundsätzlich ungeeignet. Du bist ein Langzeitprojekt!“
Alexandra lachte. Thessmann stand auf und nahm die Teller auf. „Bist du satt geworden?“ Er nickte auf ihre Reste.
„Yep, vielen Dank. Wenn ich noch mehr davon esse, platze ich.“
„Ich hole noch eine Flasche Wein, wenn du magst. Nachtisch habe ich leider keinen, außer einer Tafel Schokolade.“
„So etwas kleines Süßes ist jetzt genau richtig. Mehr passt sowieso nicht mehr in meinen Bauch. Und ja, ich trinke auch noch ein Glas Wein mit dir. Aber dann muss ich gehen.“
Er lächelte. „Nein. Du musst nicht. Du willst. Ein kleiner, aber feiner Unterschied!“ Er verschwand durch die Tür und Alexandra stand auf und wanderte mit dem Glas in der Hand durch das Esszimmer. Der Raum war groß und nach den Schriften in den Wandschränken zu urteilen, wurde er wohl auch als Raum für die Konfirmandenstunden genutzt.
Thessmann trat zu ihr und schenkte ihr nach. Er setzte sich halb auf den Tisch und sah sie forschend an. „Hat das Essen geholfen?“
Alexandra nickte. „Ein wenig in jedem Fall. Das Essen und der Wein haben schon mal geholfen. Und die Gespräche mit dir. Obwohl“, sie drehte das Glas versonnen in der Hand, „wenn ich ehrlich bin, wusste ich nicht, ob ich von dir Trost erwarten konnte. Und“, sie sah ihn um Verzeihung bittend an, „manchmal ist mir das Erklären einfach zu viel. Wenn ich selbst mit mir noch am kämpfen bin, kann ich so schlecht deutlich machen, worum es mir geht.“
Er nickte und stand auf. Er stellte sich neben sie und sah auf sie herunter.
„Trost kann man auf viele verschiedene Arten geben und empfangen. Manche brauchen einfach nur einen guten Freund, mit dem sie reden können, manche brauchen einen Pfarrer. Und anderen wiederum reicht es, wenn sie sich körperlich verausgaben.“ Er strich ihr die Haare aus dem Gesicht. Einen Moment lang trafen sich ihre Blicke. „Was wirst du jetzt machen?“
„Den Wein austrinken, mir ein Taxi rufen und mich nach Hause fahren lassen!“
Er lächelte. Und dann legte er einfach seine Arme um sie, zog sie zu sich und küsste sie. Alexandra zögerte. Aber seine Werbung an ihren Lippen war überzeugend. Und so tröstlich, wie seine warmen Arme, die sie schützend umfingen. Er zog sie noch näher an sich und sein Kuss war eine sehnsüchtige Bitte. Sanft fuhren seine Hände an ihrem Rücken entlang, streichelten ihren Nacken, vergruben sich in ihren Haaren. Alexandra ließ sich treiben. Sein Mund wanderte zu ihrem Hals und sie ließ es geschehen. Sie fühlte sich wohl in seinen Armen, sie genoss seine gekonnten Küsse, seine warme
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