Rheingau-Roulette
nebeneinander saßen. Hannes wirkte entspannter, als bei seinem Besuch in der Klinik, dem letzten Mal, dass Alexandra ihn allein gesehen hatte. Er hatte sich rasiert und unter seinen Augen lagen nicht mehr so tiefe Schatten. Sein Arm war um Stella gelegt und er sorgte dafür, dass sie aß und trank und hielt während dieser Zeit das Baby. Caro hatte gerade Schnapsgläser auf den Tisch gestellt und Arno schleppte eine Flasche Calvados an.
„Wir trinken auf Frank.“
Alle Freunde erhoben sich, hoben die Gläser und sagten wie im Chor: „Auf Frank.“
Im Kindergeschrei, das aus dem Garten in die gedämpfte Stimmung in der Wohnstube dröhnte, war die Haustürklingel untergegangen. Erst als Caro mit den zwei Polizisten im Schlepptau wiederkam, verstummten die leisen Gespräche, die nach dem Toast auf Frank das Wohnzimmer füllten.
„Guten Tag. Tut uns leid, dass wir hier stören.“
Überrascht über die Anwesenheit von Polizei antwortete ihnen Arno freundlich: „Kein Problem.“ Fragend sah er zu Caro, die ebenso überrascht mit den Schultern zuckte. Die beiden Polizisten, jung und höflich, aber mit dem Ausdruck staatlicher Autorität im Gesicht, sahen kurz über die Runde der dicht gedrängten Gäste.
„Wir suchen Herrn Johannes Bergner.“
Hannes stand auf. „Ja, bitte?“
Er hielt noch immer das Baby auf dem Arm und hatte ein Spucktuch über die Schulter gelegt. Neugierig, aber gelassen blickte er durch den Raum zu den beiden Männern. Der Polizist, der der Wortführer zu sein schien, nickte ihm zu.
„Herr Bergner, können wir Sie kurz sprechen?“
„Ja, natürlich. Warum?“
Die Stimme des Polizisten wurde eine Spur dienstlicher. „Wir führen Ermittlungen in einer Strafsache durch.“
Hannes sah kurz in die Runde.
„Mir wäre es lieber, Sie würden Ihre Fragen hier stellen. Sie sehen ja“, er wies auf das Baby, das er über die Schulter gelegt hatte, „ich muss mich gerade ein wenig kümmern!“ Er wiegte sich im Stehen hin und her und klopfte dem Säugling sacht auf den Rücken. Alle Gespräche im Wohnzimmer waren verstummt und zwischen den Polizisten und Hannes irrten die Blicke der Anwesenden schweigend hin und her.
Der Polizist nickte. „Also gut. Es ist ohnehin nur eine kurze Frage. Können Sie uns sagen, wo Sie am Sonntagabend waren? Sonntag vor zwei Tagen?“
Hannes und Stella schauten sich kurz an. Mit einem undefinierbaren Blick zu Alexandra sagte Hannes leise: „Ich war bei Frau Wegemuth. Warum?“
„Frau Wegemuth?“ Der Polizist hob fragend die Augenbrauen. Hannes nickte und deutete auf Stella neben sich.
„Ja, Stella Wegemuth.“
„Waren Sie den ganzen Abend bei ihr? Wann sind Sie nach Hause gegangen?“
Hannes räusperte sich, aber seine Stimme klang fest, als er sagte: „Ich war den ganzen Abend und die ganze Nacht da. Bis Montagmorgen, als ich zur Arbeit fuhr. Warum fragen Sie mich das?“
Der Polizist ignorierte seine Frage und sah zu Stella. „Frau Wegemuth, können Sie die Aussage von Herrn Bergner bestätigen?“
Stella nickte. Ihre Stimme klang leise, aber ebenso fest, wie Hannes’ Stimme. „Ja. Das kann ich bestätigen. Er war die ganze Nacht bei mir. Er ist morgens früh, etwa gegen sieben Uhr dreißig aus dem Haus gegangen.“
Auch sie sah zu Alexandra, die ihren ruhigen Blick auffing und sich bemühte, den heißen spitzen Pfahl, der sich in ihrem Herzen drehte und diesen unsagbaren Schmerz auslöste, nicht zu fühlen.
„Können Sie mir nicht sagen, warum Sie mich das fragen?“ Hannes wiegte zärtlich das Baby in seinen Armen, das leise zu knäulen anfing. Stella streckte ihm die Arme entgegen und er legte vorsichtig das Kind hinein, eine Geste, die nach der Tatsache, dass er offensichtlich eine Nacht mit ihr verbracht hatte, eine ungeheure Bedeutung bekam.
Der Polizist wechselte mit seinem Kollegen einen kurzen Blick des Einverständnisses und sagte: „Am Sonntagabend wurde im Nachbarort eine Frau brutal in ihrem Haus überfallen und misshandelt. Es gibt Hinweise, dass sie mit dieser Frau Probleme hatten.“
Im Wohnzimmer entstand Unruhe. Irgendjemand fragte nur leise: „Judith? Geht’s hier um Judith?“
„Haben Sie noch weitere Zeugen, die belegen können, dass Sie bei Frau Wegemuth waren?“
Hannes und Stella schüttelten die Köpfe. „Als Hannes, ich meine Herr Bergner, zu mir kam, waren die Kinder noch wach. Aber sie können natürlich nicht wissen, wie lange er da war. Und ...“, Stella zögerte etwas, „ehrlich gesagt, wäre es
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