Rheingau-Roulette
Haut, die sie an seine Brust gelehnt, spürte. Einen Moment dieses Gefühl genießen. Nur einen Moment. Dann löste sie sich widerstrebend von ihm.
„Harald.“
„Alex, nicht reden. Küssen!“ Er ließ seinen Worten Taten folgen und seine Lippen verschlossen ihren Mund.
„Harald“, flüsterte Alexandra leise an seinen Lippen, „Harald, wo soll das hier enden?“
„Im Bett. Wo sonst?“
Er lächelte sie an. Sprachlos guckte sie zurück.
„Bist du liiert?“
Seine Frage irritierte sie noch mehr.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Du?“
„Nein, ich auch nicht. Also. Warum machst du dir dann Gedanken? Wir sind erwachsen. Du hast mir schon gesagt, dass du nicht in mich verliebt bist. Ich habe dich schon verstanden. Und“, er zog einfach sein T-Shirt aus, „ich bin zwar ein Pfarrer, aber auch ein Mann. Ich merke, dass du nicht sehr ablehnend auf meine Berührungen reagierst.“
Seine Brust war unbehaart und glatt. Oberhalb seiner linken Brustwarzen war ein großer Leberfleck, den Alexandra fasziniert betrachtete. Er hatte die Form eines Halbmondes.
„Du genießt es. Oder? Sag mir, wenn es nicht so ist.“ Sein Blick war konzentriert auf sie gerichtet. Seine Hand lag in ihrem Nacken und zog ihren Kopf zu sich. Zart spürte sie seine Lippen neben ihren, als er sagte: „Auch Sex kann Trost geben. Und auch Pfarrer dürfen sich mal der Versuchung hingeben.“
Und Alexandra ließ sich verführen. Sie ließ sich von ihm an der Hand die Treppe hoch zu seinem Schlafzimmer führen. Die wenigen Kleidungsstücke, die sie noch trugen, ließen sie achtlos neben sich fallen auf den Boden fallen. Ihre Hände streichelten seinen Oberkörper, der, wie sie wieder verwundert feststellte, für einen Pfarrer erstaunlich durchtrainiert war. Seine Haut, die die Tönung eines sonnengebräunten Südländers hatte, war warm und fühlte sich gut an. Sie genoss seine Berührungen, die in einem steten fließenden Strom über ihren Körper glitten. Seine Hand fuhr an ihrem Oberschenkel entlang, glitt in die Innenseite und öffnete ihre Beine. Er berührte sie an ihrer intimsten Stelle, kurz, zart, um sich dann wieder ihrem Busen zu widmen und wieder zu ihrer Scham zurückzukehren. Er nahm sich Zeit, seine Küsse reizten sie und seine Hände lockten ihre Hände zu seinem Geschlecht. Gerade als Alexandra dachte, sie würde zerspringen, und sich nichts mehr wünschte, als endlich, endlich mit ihm vereinigt zu sein, umfasste er ihren Nacken und drang langsam, fast vorsichtig, in sie ein.
Und Alexandra dachte, sie würde sterben. Vor Lust. Vor Scham. Vor Trauer.
Es war früher Nachmittag am Freitag, als Franks Beerdigung begann. Mit Bedacht hatte Stella diesen Wochentag gewählt, wusste Alexandra. Sie hatte bei der Vorbereitung der Beerdigung mitgeholfen. Zutiefst schockiert über den Unfall hatte sie Hilfe angeboten und Stella hatte sie dankbar angenommen. Sie hatte es vermieden, nach Arnos Geburtstag allein mit ihr zu sein. Was kein großes Problem war, weil ständig irgendjemand an Stellas Seite war.
Freitag war ein Tag, an dem Franks wichtigste Kunden am ehesten Zeit hatten, an diesem traurigen Abschied teilzunehmen, ohne ihre Geschäfte maßgeblich zu vernachlässigen.
Thessmanns Predigt in der kühlen Kirche war kurz und in der typischen Art, wie Pfarrer auf ihre Bibel Bezug nehmen. Als tröstlich konnten das gewiss nur Gläubige empfinden, für Alexandra waren es leere Worte. Sie wunderte sich, dass Harald in der typischen Pfarrermanier sprach. Sie hatte sich eine andere Predigt erhofft, eine, die tatsächlich Trost spenden könnte. Aber vermutlich war es einfach zu viel verlangt, in einer solchen Situation Trost durch biblische Texte zu empfinden.
Während der Trauerfeier in der Kirche hatte Stella all die Worte, die Frank als einen vorbildlichen Arbeitgeber, einen guten Sportler, hingebungsvollen Vater und liebenswerten Freund belobigten, regungslos hingenommen. Die einzige offensichtliche emotionale Reaktion erfolgte, als Hannes sie nach seiner Rede, die kurz und liebevoll an die Witwe und die Kinder gerichtet war, in den Arm nahm. Sie legte den Kopf auf seine Schulter und ihre zuckenden Schultern wurden von einem heftigen Aufschluchzen begleitet. Hannes hielt sie eng umschlungen. Der schmerzliche Klang ihres Weinens ging im aufkeimenden Gesang des Chors unter.
Die Lübbener Gospels waren angereist und die Lieder, die sie sangen, erfüllten die Kirche mit einem Klang, der voller Hoffnung und Schmerz zu gleichen
Weitere Kostenlose Bücher