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Rheingau-Roulette

Rheingau-Roulette

Titel: Rheingau-Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sia Wolf
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auch nicht. Wir vermuten zwischen der sechsten und siebten Woche.“
    „Hannes oder Thessmann? In diesen beiden Wochen?“
    Alexandra nickte. „Ja. Und in genau der Reihenfolge.“ Sie seufzte. „Caro, es ist mir egal. Egal, wer von beiden der Erzeuger ist. Mir ist alles egal, solange ich nur dieses Kind behalten darf.“ Die Tränen kullerten ihr aus den Augen. „Verstehst du mich? Ich möchte nicht noch mal ein Kind verlieren.“
    Caro nickte und streichelte sie liebevoll über den Arm. „Natürlich verstehe ich dich. Wenn nicht ich, wer dann? Und damit das Kind gesund bleibt, sollten wir etwas dafür tun. Magst du was essen?“
    Alexandra erbrach sich.
    „Na, so schlimm sind meine Koch- und Backkünste nicht!“ Caro grinste.
    „Rede nicht vom Essen, sonst kriegst du mich heute nicht mehr aus dem Bad!“
    Am späten Abend hatte Arno sie nach Hause gefahren. Sie hatte den Nachmittag auf Caros Couch zugebracht. Umgeben von Ingwertee und einem Eimer, zugedeckt mit einer Wolldecke und mit den Kindern Karten spielend.
    Essen mochte sie nichts, aber sie schaffte es, eine halbe Kanne Tee mit viel Zucker zu trinken, ohne zu erbrechen.
    Zu Hause änderte sich das. Sie behielt von dem schmalen Abendbrot, einem Haferflockenmüsli, das sie zu sich nahm, nichts bei sich. Abgeschlagen fiel sie ins Bett und träumte von zwei Männern, die sich um ihr Kind stritten.

Judith -7-
     
    Sie saß in dem sonnigen Raum mit den vielen Tischen. Leises Gemurmel drang bis zu ihr und die Gerüche des Mittagessen waberten durch das große Zimmer. Die Menschen, die sich in dem Raum aufhielten, gingen langsam, redeten leise und standen oder saßen in kleinen Gruppen zusammen.
    Sie saß und folgte ihrem inneren Rhythmus mit ihren Bewegungen. Vor und zurück. Vor und zurück. Vor und zurück. Sie wusste nicht, wie lange sie hier saß. Sie spürte keinen Hunger, sie konnte nichts essen. Essen würde ihren Rhythmus stören. Ihren Rhythmus, der Rhythmus, der den Schmerz von ihr fernhielt und den sie erst seit Hannes Besuch wieder gefunden hatte.
    Vor und zurück. Vor und zurück.
    Eine junge Frau trat auf sie zu und lächelte sie an. Sie fragte sie etwas, aber sie konnte nicht verstehen, was sie meinte.
    Judith gab sich ihrem Rhythmus hin. Wie gut das tat. So unendlich gut, nach dem unermesslichen Schmerz, den sie empfunden hatte, als ihr der Verrat von Hannes offenbar wurde.
     
     
     
    „Wir fangen oben an!“
    Er hatte sie die Treppe hochgeschoben, langsam und gemütlich, so wie er alles in dieser fürchterlicher Ruhe tat.
    Sie fragte nicht, womit sie anfangen würden. Sie wusste nur, dass sie es nicht verhindern konnte.
    Er begann systematisch. Zuerst betraten sie ihr Schlafzimmer. Er setzte sie aufs Bett und holte eine Schere aus ihrem Arbeitszimmer. Dann drückte er ihr die Schere in die rechte Hand. Er konnte sich daran erinnern, dass sie Rechtshänderin war. Und dann musste sie schneiden. Zuerst die Kleider. Kostbare Designerstücke, die sie zerschneiden musste, ihre Lieblingsstücke zuerst. Er ließ sie jedes Stück begutachten, bevor sie es zerlegen musste. Sie durfte nicht entlang der Nähte schneiden. Immer quer durch den Stoff und so lange, bis nur noch schmale Streifen übrig waren.
    Sie verbrachten Stunden mit dem Zerschneiden ihrer Garderobe in ihrem Schlafzimmer. Die Strümpfe und ihre Unterwäsche, zarte Gebilde aus Spitze waren die letzten Dinge, die sie zerschnitt. Ihre Hand schmerzte und ihr Mund war trocken.
     
     
    Vor und zurück. Dem Rhythmus folgen. Vor und zurück. Die Frau war wieder da und bewegte ihren Mund. Sie konnte sehen, dass sie etwas sagte. Aber sie konnte es nicht verstehen. Vor und zurück. Sie musste sich im Rhythmus bewegen, sonst kam der Schmerz zurück.
     
     
    Hannes war voller Ruhe, nur manchmal trieb er sie etwas an. Sie hatten die ganze Nacht Zeit, notfalls auch noch die nächste, dafür hatte er gesorgt. Er holte ihr nach einer Stunde Wasser zu trinken und nahm ihr für den Moment den Klebestreifen vom Mund.
    „Möchtest du mir von Alexandra erzählen?“
    Sie schüttelte den Kopf und Hannes verschloss ihr den Mund wieder mit dem Klebeband. Und sie schnitt und schnitt, bis das Zimmer voller Fetzen lag.
    Dann holte er die Axt. Sie musste aufstehen und Hannes stellte sich hinter sie, legte ihr die Axt in die Hände und führte ihren ersten Schlag. Die Schranktür zersprang. Der Korpus. Der Spiegel. Das Bett.
    Er zerlegte mit ihr alles, was im Schlafzimmer stand. Der systematischen Zerstörung

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