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Rheingau-Roulette

Rheingau-Roulette

Titel: Rheingau-Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sia Wolf
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sich das Taufwasser von Thessmann über die Haare gießen, ihre Hand fest in Alexandras Hand geschoben, der urplötzlich die Tränen in die Augen schossen. Hastig blinzelte sie sie weg, drückte die kleine verschwitzte Hand von Charlotte und lächelte sie glücklich an. Als die Zeremonie vorbei war und die Menschen unter Orgelmusik und Glockengeläut nach draußen in die pralle Sonne strömten, fand Alexandra Thessmann plötzlich an ihrer Seite.
    „Und? Hat Ihnen der Gottesdienst gefallen?“
    „Ja. Gar nicht so langweilig, wie ich befürchtet hatte.“ Alexandra lächelte ihn an.
    „Ich habe mir Mühe gegeben. Und die Lübbener Gospels auch.“ Ein kleinerer, dicker Mann mit Glatze und asiatischen Gesichtszügen stürzte auf sie zu, fasste Thessmann am Arm und zog ihn mit sich mit.
    „Komm, du musst kommen. Der Chor geht essen. Alle zusammen. Du musst mitkommen.“ Die Sprache klang etwas verwaschen und seinen Gesichtszügen konnte man die Behinderung ansehen. Fröhlich zog er Thessmann mit sich zu der Gruppe des Chors, die unweit von ihnen zusammen standen und auf den Pfarrer warteten.
    Thessmann winkte ihr zu. „Tschüss, Sie sehen ja, ich muss los. Wir sehen uns nachher noch. Ihre Cousine hat mich zum Kaffee eingeladen.“
    Alexandra winkte zurück und lachte. „Caros Kuchen sind eben zu verlockend!“
    Aber Thessmann war bereits von einem zweiten Mitglied des Gospelchors in  Beschlag genommen und zuckte nur noch hilflos mit den Schultern in ihre Richtung, bevor er im hinteren Teil des Kirchenschiffs verschwand.
    Arnos Eltern und seine Brüder mit ihren Familien waren zur Taufe eingeladen. Caro hatte ein Lokal im Ort gebucht und dort das Mittagessen bestellt, während die Kuchentafel zu Hause aufgebaut wurde.
    Es war heiß, voll und laut in dem Lokal und Alexandra wünschte nichts sehnlicher, als im Schatten ihres Gartens zu sitzen, und Ruhe zu haben. Der Geruch von gebratenem Fleisch und frittiertem Fett lag in der Luft und machte das Atmen schwer. Nach dem Essen erhob sich die Gesellschaft zu einem Verdauungsspaziergang am See. Als sie nach einer Stunde in Caros Garten ankamen, hatten Doro und Fritz, ein befreundetes Ehepaar, bereits die Kaffeetafel vorbereitet. Alexandra kannte Doro von früheren Besuchen bei Caro schon recht gut.
    Dorothea war eine kleine dicke Frau mittleren Alters, mit kurzen schwarzen Haaren und großen runden Ohrringen. Sie summte fröhlich vor sich hin, während sie die schwatzenden Gäste mit Kaffee und Tee versorgte. Sie hat eine dunkle Stimme, die an Whisky und Rauch erinnerte und feuchte Männerträume auslösen konnte. Sie und ihr Mann Fritz hatten ihre vier Kinder, alles ‚Verhütungs-Unfälle’, wie sie immer wieder fröhlich betonten, mitgebracht und mit den anderen Kindern am ‚Katzentisch’ platziert. Eigentlich war Doro Hausfrau, nur gelegentlich arbeitete sie in einem Callcenter und bekam dort regelmäßig ‚dreckige’ Anfragen von männlichen Kunden.
    Als sie erzählte, dass sich sogar ein Headhunter bei ihr gemeldet hat, der für ein großes Internet-Portal Stimmen für den Bereich Telefonsex suchte, war Alexandra gerade zu Besuch bei Caro. Sie saßen am Küchentisch und tranken Sekt, amüsierten sich königlich über Doros Geschichten aus dem Callcenter und wollten nicht glauben, dass Doro tatsächlich über das Angebot nachgedacht hatte. Sie hatte nur abgesagt, weil sie nicht im Schichtbetrieb arbeiten wollte und konnte. Organisatorisch wäre das für die Familie ein Fiasko geworden und so entschied sich Doro gegen dieses Angebot. Fritz war traurig darüber, behauptete er jedenfalls. Er hatte sich schon gefreut, einen regulären Grund zu haben, regelmäßig bei einer Sexhotline anrufen zu dürfen.
    Fritz hieß eigentlich Friedrich und war das optische Gegenteil seiner Frau. Groß, mager und schlaksig, fast ausgezehrt wirkte er. Tiefe Falten in den Mundwinkeln und monströse Augenbrauen, die an einen ehemaligen Politiker erinnerten, machten sein Gesicht älter als er war. Seine Arbeit als Sachbearbeiter der Müllentsorgung bei den Berliner Stadtwerken war ein sicherer Job, den er gerne machte. Seinen doch erheblichen Faltenwurf im Gesicht, mit dem er gelegentlich auch kokettierte, begründete er mit den schlechten wirtschaftlichen Bedingungen, die ein Vater von vier Kindern im mittleren öffentlichen Dienst hätte.
    Doro und Fritz waren die ‚Alt-Achtundsechziger’  von Rangsdorf, obwohl sie beide deutlich jünger waren. Sie waren Mitglieder einer Cover

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