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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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»Er muß sich erst noch daran gewöhnen, daß es außer der Halle seines Vaters noch eine andere Welt gibt. Es war die erste Schlacht für den Jungen. Stell dir vor, bevor er zu mir kam, war er noch nie in einer Stadt gewesen.«
    Sigfrid rutschte unbehaglich auf Granis Rücken hin und her und überlegte, wie er Gunter sagen sollte, daß das gleiche für ihn galt. »Bist du wund vom Reiten?« fragte der Burgunderkönig. »Keine Angst, es ist nicht weit. Du mußt wohl lange geritten sein.«
    »Ja, es war ein langer Weg«, sagte Sigfrid.
    »Das mag wohl sein«, erwiderte Gunter, »denn seit dem letzten Ostarafest hat niemand mehr etwas von dir gehört oder gesehen. Wann hast du denn zum letzten Mal geschlafen?« fragte Gunter. »Ähh ... vorletzte Nacht.«
    »Bei den Göttern, du bist beinahe so schlimm wie Hagen. Du mußt besser auf dich achtgeben, sonst wird Gudrun enttäuscht sein.«
    »Was macht sie denn?« fragte Sigfrid. Er war froh, das Thema wechseln zu können.
    »Sie ist mit unserer Mutter in Worms und paßt auf, daß unser Reich nicht auseinanderfällt, bevor ich wieder zurück bin. Eine bessere Königin als Gudrun kann man sich nicht wünschen - ohne sie wäre ich nie soweit gekommen. Sie wird froh sein, dich zu sehen. Übrigens, wann kommst du denn, um sie zu holen? Sie beklagt sich schon darüber, daß sie eine alte Jungfer wird.« Das breite Gesicht des Burgunders wirkte arglos, als er Sigfrid anlächelte, seine braunen Augen erwiderten Sigfrids Blick, ohne mit der Wimper zu zucken. Sigfrid rieb sich die geröteten Augen und suchte nach einer Antwort, die vernünftig klingen würde. Vor Gunters Äußerung hatte er überhaupt nicht gemerkt, wie müde er war. Er unterdrückte ein Gähnen und sagte: »Sobald ich meinen rechtmäßigen Platz einnehme.« Es klang wie auswendig gelernt. Gunter nickte. »Gut.«
    »Ist Hagen immer noch bei Attila? Ich habe die Lieder über ihn und den Franken Waldhar gehört.«
    »Nein, ich bin hier.«
    Hagens monotone Stimme war im Laufe der Jahre noch tiefer, aber auch etwas klarer geworden, doch sie wirkte immer noch befremdlich. Sigfrid drehte sich nach dem jüngeren Gebikung um und stellte fest, daß Hagen bereits neben ihm ritt. Ein kurzer Bart machte den kantigen Unterkiefer des Burgunders weicher; das ölige schwarze Haar, durch das sich bereits graue Fäden zogen, hatte er nach der Art der Hunnen am Hinterkopf zu einem Knoten gebunden. In der Hand trug er einen Wurfspieß. »Ich bin seit dem letzten Vollmond wieder zu Hause.« Seine grauen Augen musterten Sigfrid und verweilten flüchtig auf dem Schwertgriff, in dem der Kristall blitzte. »Das sieht nach Regins Arbeit aus. Ich sehe, du warst ein guter Lehrling.«
    Sigfrid staunte über Hagens Offenheit, und er lachte laut auf. Die Oberlippe des anderen verzog sich zu einem verschwörerischen Lächeln.
    Gunter sah die beiden fragend an. »Wovon redet ihr?« wollte er wissen. »Was ist denn so komisch?«
    »Ach, nichts von Bedeutung«, erwiderte Hagen und fragte dann Sigfrid: »Wird Gudrun ihren Verlobten morgen sehen, wenn wir wieder in Worms sind?«
    Unter dem strengen Blick seines Bruders sagte Gunter: »Ach ja, Sigfrid. Wirst du morgen abend in Worms unser Gast sein? Dein Besuch wäre für uns eine große Ehre.«
    Hagen durchbohrte Sigfrid mit seinen dunklen Augen und sagte eindringlich: »Unsere Schwester wird sich sehr darüber freuen. Sie wartet ohnehin auf Nachricht von dir.« Sigfrid erwiderte ausweichend: »Grüße sie von mir.«
    »Das werde ich gern tun. Aber willst du nicht mitkommen, um sie selbst zu grüßen?«
    »Ich muß so schnell wie möglich zu König Alprecht und Königin Herwodis zurück. Sie warten bereits ungeduldig auf mich.« Was würde Alprecht von einem Gefolgsmann halten, der nach der Ankündigung, er werde einen Toten besuchen, aus der Halle gerannt war? Sigfrid wußte, er würde vieles erklären müssen, wenn er nach Hause zurückkam.

    *

    Ulfila hatte für Sigfrid einen Stuhl gefunden und ihn zwischen Gunters und Hagens Platz gestellt. Er war etwas zu klein, und Sigfrid hätte es auf einer der langen Bänke bequemer gehabt. Aus Höflichkeit blieb er jedoch sitzen, bis die Tische abgeräumt und hinausgetragen worden waren, anstatt sich in eine Ecke zu legen und zu schlafen, wie er es am liebsten getan hätte. Der Drichten Ulfila war ein freundlicher Mann; seine kleine blonde Frau drängte Sigfrid höflich, zu essen und zu trinken, und sie staunte mit offenem Mund über seinen riesigen

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