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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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solltest wissen, wie sich das Blut eines Feindes auf deinem Gesicht anfühlt. Hast du vielleicht zu lange friedlich am Feuer gesessen?« Er bückte sich, wischte mit zwei Fingern einen Blutstropfen von den Planken und leckte ihn ab. »Seht ihr? Es gibt keinen Grund zur Angst. Ich verspreche euch, wir werden den Raben genug Futter beschaffen ...« Sigfrid schwieg plötzlich, denn schlagartig begriff er das Zeichen. Er dachte an Fjölnirs Worte und rief erleichtert: »Den Raben nennt man auch den Schwan der Wunden! Es ist ein gutes Zeichen, wenn man einen Raben vor der Schlacht sieht. Das bedeutet den Sieg. Hört ihr?« rief er laut zu den anderen Schiffen und hob die Arme. Seine klare Stimme drang über das Wasser. »Ein Siegeszeichen!«
    »SIGFRID!« hörte man Kunitrut den Schlachtruf anstimmen. »Sieg!« riefen Adalprant und Paltwin; Gold blitzte an Anshelms Arm, als er glücklich die Faust hob und lachte. »SIGFRID!« jubelten die Mannschaften auf den Schiffen.
    Sigfrid warf fragend einen Blick auf Regin. Der Schmied erhob sich mühsam von der Bank und kam mit unsicheren Schritten zu ihm herüber. Selbst die flache Dünung, die das Schiff mühelos durchschnitt, machte ihm zu
    schaffen. Sigfrid fing Regin auf, als das Schiff sich plötzlich neigte und der Zwerg beinahe gefallen wäre. Er hielt ihn fest und setzte ihn dann auf eine Ruderbank. »Es ist eine gewagte Sache, Zeichen zu deuten«, brummte Regin. »Hältst du dich inzwischen für einen Hellseher?«
    »Kannst du nach diesem Zeichen mit Sicherheit Unglück von Glück unterscheiden?« fragte Sigfrid. »Bedeutet das Zeichen für dich etwas anderes?«
    »Möglicherweise, wenn ich es deuten würde«, murmelte Regin. »Ich glaube, es gibt mehr als eine Möglichkeit, ein Zeichen zu lesen. Aber ich werde es bei dem belassen, was du gesagt hast.«

    *

    Ehe die Sonne den Mittagspunkt erreicht hatte, sahen sie, wie die Wolken vom Meer über eine weite dunkle Marsch zogen. Sigfrid wandte sich an Oto und sah ihn fragend an. Der alte Mann wiegte nachdenklich den Kopf.
    »Das sieht mir ganz nach dem Sachsenland aus«, sagte er. »Ich habe immer gehört, daß sie um diese Jahreszeit schwere Überschwemmungen haben. Die meisten leben auf Hügeln oder Terpen, wie sie es nennen, die sie gegen die Fluten aufgeschüttet haben.« Er kniff die Augen zusammen und blickte auf das Land. »Aber das da vor uns kann überall an der Küste sein. Wenn wir weit genug fahren, werden wir bestimmt auf eine Siedlung stoßen.«
    »Gut.« Sigfrid übernahm das Ruder und steuerte an der Küste entlang. Der Strand vor dem Marschland war weiß und kahl, nur hin und wieder sahen sie angeschwemmte schwarze Büschel Seetang. Ein leises Muhen drang über das Wasser. Sigfrid spähte angestrengt zum Ufer und entdeckte im Morast eine magere fahlbraune Kuh. Sie segelten weiter, bis das Land leicht anstieg und das braune Marschgras kahlen Bäumen mit knorrigen Ästen wich, die dunkel in den blauen Winterhimmel ragten. Der Wind flaute ab; Sigfrid half, das Segel zu reffen, rief die Männer an die Ruder und steuerte das Flaggschiff zur Küste. Dicht vor dem Ufer gruben sich die Kiele knirschend in den hellen Sand, und sie warfen die Anker über Bord. »Haben wir Ebbe oder Flut?« fragte Sigfrid und sah zuerst die vier älteren Gefolgsleute an und dann Regin.
    »Wahrscheinlich liegt der Wasserstand irgendwo dazwischen, bis der nächste Sturm kommt«, antwortete Ansbrand. »Bei Ebbe liegen wir hier bald auf dem Trockenen.« Er beobachtete die flachen auslaufenden Wellen. »Die Flut geht zurück«, sagte er nach einem Augenblick entschieden. »Wenn wir schnell wegkommen wollen, sollten wir uns noch einmal überlegen, ob wir hier ankern.«
    »Hier gibt es nichts, vor dem wir fliehen müssen«, sagte Sigfrid. Er hob die Stimme, damit man ihn auf den anderen Schiffen verstand. »Nehmt eure Waffen und etwas zu essen. Wir gehen an Land. Und du«, sagte er zu Hildkar, »holst mein Banner ein. Es macht dir doch nichts aus, es zu tragen?«
    »Ich?« sagte Hildkar, und sein langes Gesicht rötete sich vor Freude. »Ja, du.«
    »Meinst du das wirklich?«
    »Ja.«
    Seine Ohren glühten, und er stotterte verlegen: »Äh, ja, natürlich.« Er ging hinüber und löste die Knoten der Lederriemen, mit denen die Bannerstange an den Mast gebunden war.
    Nachdem alle an Land gewatet waren, fragte Sigfrid, wer freiwillig bereit sei, zurückzubleiben und die Schiffe zu bewachen. Außer Regin meldete sich niemand; deshalb mußten

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