Rheingold
dir Glück, Sigfrid«, flüsterte der Schmied, »mögen alle guten Kräfte sich vereinen, wenn du Fafnir zum Kampf forderst.« Er schluckte und fügte dann mit heiserer Stimme hinzu: »Möge dieser Kampf dir zur Ehre gereichen und das Schicksal doch noch zum Besseren wenden. Dann bist du ein wahrer Held, und das wird für uns beide gut sein.« Er blickte Sigfrid kurz in die Augen. Die tiefen Furchen seiner schweißbedeckten Stirn zogen sich schmerzverzerrt zusammen, und Tränen traten ihm in die Augen. Dann ließ Regin Sigfrids Arm los, ließ sich von Sigfrid seinen Sack von Granis Rücken geben und eilte zwischen den Bäumen davon. Trockene Äste knackten, und abgefallenes Laub raschelte laut unter seinen schweren Schritten. Sigfrid ging mit Grani auf der Drachenspur den Felsen hinauf. Fafnirs gewundener Weg stammte offenbar von einem Wesen, das sich langsam bewegte und jeden Schritt mit Bedacht und großer Umsicht tat, als wisse der Drache, daß der Tag kommen werde, an dem man ihn zum Kampf fordern würde. Mit solchen Gedanken musterte Sigfrid die Spur, bis er auf halber Höhe eine Stelle sah, wo auf der graubraunen Erde grünes Moos abgebrannt war. Dort mußte Fafnir dicht über den Boden gleiten und wäre mit dem Schwert von unten bestimmt zu treffen.
Die Asche war noch heiß unter Sigfrids Tritten, als er sich der Höhle näherte. Einige Bäume waren umgestürzt, andere hatten verbrannte Äste und verkohlte Stämme, wo der Drache sie gestreift hatte. Außerhalb der Drachenspur blühten und grünten die Bäume. Hier hatte der Sommer bereits begonnen. Lachend verließ Sigfrid die Spur und rannte zu den Kirschbäumen. Er schüttelte einen der schlanken Stämme und ließ die weißen Blüten auf sich regnen. Das Unbehagen der Nacht war verflogen. Endlich fühlte er sich wieder unbeschwert. Übermütig sammelte er die Kirschblüten mit beiden Händen und warf sie Grani über den Kopf. Der Hengst schnaubte und wieherte. »Lauf, Granit« rief Sigfrid, »lauf in den Wald. Du kannst mir nicht helfen, bis ich dich rufe.«
Der Hengst sah ihn mit seinen großen Augen lange an, dann drehte er sich langsam um und lief zögernd in den Wald. Sigfrid stieg weiter nach oben, kletterte über die großen Felsbrocken und erreichte bald die Stelle, wo er die Grube ausheben wollte. Er brach einen Ast von einer Esche ab und begann, die dicken Schichten der Asche beiseite zu räumen. Schon bald warf er den Mantel ab und zog auch die Tunika aus. Er legte seine Sachen auf die Zweige einer Linde, die bereits hellgrüne große Blätter hatte. Die Sonne wärmte ihm bei seiner Arbeit angenehm den Rücken.
»Was machst du da?« hörte er plötzlich hinter sich eine tiefe Stimme fragen. Sigfrid richtete sich auf. Ein alter Mann in einem dunkelblauen Umhang mit einem breitkrempigen Hut über dem Gesicht stand unter den Bäumen. Er lehnte sich auf einen großen, alten Speer. »Ich grabe eine Grube, um dort auf Fafnir zu warten. Ich muß eine alte Fehde mit ihm austragen, und man hat mir gesagt, so könne ich ihn töten.«
Der Alte erwiderte: »Das ist ein schlechter Rat. Du mußt viele Gruben ausheben, damit das Drachenblut hineinlaufen kann und von der Erde gekühlt und gereinigt wird. Setze dich in die erste Grube und stoß dein Schwert dem Drachen ins Herz.«
»Aber wie soll ich wissen, wo sein Herz ist?« »Zuerst mußt du die Kraft aufbringen, dem Drachen in die Augen zu blicken. Du darfst dich nicht von der Tarnkappe täuschen lassen. Die Kraft liegt in deinem Blick, in der Klarheit und Reinheit deiner Seele. Das Gold darf dich nicht blenden. Darin besteht die erste Prüfung. Wenn du sie nicht bestehst, wirst du nicht die Kraft haben, dein Schwert gegen ihn zu heben. Vertraue Gram, nimm die Kraft aus dem Kristall. Die Schwertspitze ist scharf genug, um jeden Bann zu brechen - auch Andvaris Fluch.«
Der Alte setzte sich auf einen Baumstamm und bedeutete Sigfrid, näherzukommen. Zwei Raben kreisten hoch am Himmel, und Sigfrid trat ehrfürchtig zu dem Fremden, der leise weitersprach. »Du mußt den Drachen sehen, bevor er dich wahrnimmt. Wenn deine Augen die Prüfung der Reinheit bestehen, wirst du sehen und wissen, wohin du deine Klinge stoßen mußt.«
»Aber wie soll ich mich vor dem Drachenblut schützen?« fragte Sigfrid.
»Das ist die zweite Prüfung«, erwiderte der Alte nachdenklich, »der tödlich getroffene Drache wird sich und alles um ihn herum verbrennen. Denn die Dunkelheit seines Wesens hat keinen Bestand. Du mußt den
Weitere Kostenlose Bücher