Rheingold
von Granis Rücken gefallen. Sigfrid hielt seinen Ziehvater fest, sprang vom Pferd und hob den alten Zwerg dann vorsichtig hinunter.
»Ich glaube, niemand kann behaupten, daß Sigfrid geizig ist«, rief er zurück, »aber ist dein Floß groß genug für uns und mein Pferd?«
»Ja, es ist groß genug«, krächzte der Alte und lachte dann heiser, »es hat schon größere Lasten getragen, aber das ist schon eine Weile her...«
»In wenigen Tagen kann es wieder so sein«, antwortete Sigfrid, »wenn du auf uns wartest, wirst du es vielleicht noch erleben...« Der Mann lachte wieder und spuckte ins Wasser. Regin drehte sich wortlos um und wollte verschwinden, aber Sigfrid packte ihn bei den Schultern und sagte: »Ein Floß ist doch
bestimmt besser, als in Krimhilds Falle zu laufen?» »Dummkopf!« zischte der Zwerg, »dem da traue ich noch weniger...«
»Aber er bringt uns bestimmt schnell ans Ziel.« Widerwillig ging Regin hinunter ans Ufer und betrat schweigend das Floß. Sigfrid führte Grani langsam auf die Planken und blieb mit dem Hengst in der Mitte stehen; die Wellen schwappten über die Seiten, aber das Floß schien die Last mühelos zu tragen. Die Strömung erfaßte sie, und sie trieben flußabwärts, während die Sonne feuerrot versank.
Regin blieb stumm wie ein Fisch, bis sie zum Abendessen ihren Proviant aus den Satteltaschen holten. Dann bot er mürrisch dem Fährmann etwas an. Das Brot lehnte er ab, aber er trank aus dem Weinschlauch. Der Mond ging rot auf, und bald fielen lange Schatten vom Ufer schwarz auf die silbernen Wellen.
»Bestimmt hast du nicht daran gedacht, ein paar Decken mitzunehmen«, brummte Regin. »Du kannst meinen Mantel haben«, erwiderte Sigfrid, »mir ist nicht kalt, und außerdem wärmt mich Grani.«
»Du wirst morgen früh starr und steif wie ein Toter sein«, prophezeite ihm Regin düster, »nein, behalt deinen Mantel. Ich friere nicht.« Der Zwerg hüllte sich in seinen Wolfspelz und legte sich in gebührendem Abstand von dem Pferd zum Schlafen unter eine Bank. Sigfrid und der Fährmann schwiegen. Der Mann
steuerte das Floß mit seiner Stange mühelos mitten auf dem Fluß. Nach einer Weile stand Sigfrid auf, ging zu ihm ans Heck und setzte sich neben ihn. »Wie lange bist du schon Fährmann auf dem Rhein?« fragte Sigfrid. Der Mann legte den Kopf etwas zur Seite. Sigfrid sah in der Dunkelheit, daß seine Augen wie Bernstein leuchten. »Schon lange«, erwiderte er in seiner eingenartig hellen, wie Feuer knisternden Stimme, »ich habe schon viele auf dem Rhein gesehen, aber nur selten einen Krieger und einen Schmied, die zusammen auf einem Pferd saßen. Wie weit wollt ihr denn fahren?«
»Bis zum Drachenfels«, erwiderte Sigfrid.
»Ihr seid die ersten, die dort freiwillig hingehen, seit die Römer den Steinbruch aufgegeben haben und Fafnir, der Drache, in der Höhle das Rheingold bewacht«, sagte der Fährmann und fragte dann: »Was weißt du von Fafnir?«
»Er liegt in der Gestalt eines Lindwurms auf dem Hort und hat die Tarnkappe auf dem Kopf.«
Nach kurzem Schweigen fügte Sigfrid hinzu: »Ich habe geschworen, ihn zu töten.«
Der Fährmann lachte leise, und es klang wie Wasser, das in Flammen zischt. »Hüte dich vor dem Drachenblut«, warnte er Sigfrid, »es ist nicht nur reines Gift, sondern glüht von dem Feuer des Goldes, auf dem der Drache liegt. Deine ganze Kraft wird dir nicht helfen, wenn das Blut dich trifft. Ein Tropfen genügt, und
du wirst verbrennen wie auf einem Scheiterhaufen...«
Plötzlich wußte Sigfrid, woher er diese Stimme kannte. Sie hatte damals aus dem Feuer gesprochen - bei dem Sinwist im Zelt, und als Regin seine Geschichte erzählte. »Du bist der Fuchs!« sagte er zum Fährmann.
»Hast du wie der Zwerg Angst vor mir? Wenn du Angst hast, dann fliehe auch vor dem Drachen, denn noch ist es Zeit. Kein Mensch hat bis jetzt dem Blick von einem widerstanden, der die Tarnkappe trägt.«
Sigfrid lachte. »Wer du auch sein magst, ich habe keine Angst vor dir. Ich bin mit der Wilden Jagd gezogen, habe die Nordsee im Winter überquert und bin in das Reich der Toten geritten. Wenn ich bis jetzt keine Angst kennengelernt habe, dann werde ich mich auch dem Drachen furchtlos stellen können. Dieses Schwert wurde einst zerbrochen, aber nicht die Seele des Mannes, der mit ihm bis zum letzten Atemzug gekämpft hat. Ich habe nichts zu fürchten, und wenn ich besiegt werde, dann habe ich erst recht nichts zu fürchten, denn ich bin meiner Aufgabe treu
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