Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
Vom Netzwerk:
Rachen auf und brüllte immer lauter. Flammen schossen aus dem Maul, während er mit den heftigen Schlägen des glühenden Leibs Felsen und Bäume zertrümmerte. Aber das Blut floß unaufhaltsam aus der tiefen Wunde und füllte die Gruben.
    Sigfrid lag benommen auf dem Rücken und rang nach Luft. Flammen Schossen wie Kometen durch den Himmel. Der Drache schien weit weg und doch ganz nahe zu sein. Ich werde verbrennen, dachte Sigfrid ohne Angst, und eine unglaubliche Ruhe überkam ihn. Zu seinem großen Staunen stellte er fest, wie feiner, weißer Dunst ihn schützend einhüllte und er in der Grube wie in kühles Wasser getaucht war.
    Mein Bruder Hörnir wird an deiner Seite stehen. Fafnir brüllte noch einmal. Sein schauriger Schrei hallte in Sigfrids Körper nach. Dann hörte er neben dem grauenerregenden Stöhnen Worte einer uralten Stimme; sie kamen aus großer Tiefe und wie aus einer anderen Welt.
    WER BIST DU? WER IST DEIN VATER, DASS DU WAGST, GEGEN MICH ZU KÄMPFEN?
    Von mir wirst du nichts erfahren, dachte Sigfrid, denn du hast dich den Kräften der Dunkelheit geweiht. Sigfrid hörte sich antworten, ohne daß ein Laut aus seiner Kehle drang.
    Ich habe weder Vater noch Mutter. Die Menschen kennen meine Sippe nicht. Ich bin der Wolfssohn und jage allein.
    Sigfrids Haut brannte wie der glühend heiße Sturm der Feuersbrunst, die ihn umtobte. Aber dann dachte er an die Worte des Alten: Laß dich von dem Feuerzauber nicht täuschen. Seine innere Ruhe stärkte den kühlen Strom des kalten Wassers, das gegen das Feuer anbrandete, denn Hörnir, der stille Gott, stand an seiner Seite und zeigte ihm, was da brannte, war bereits ohne Leben, tot und kalt und nur ein Wahn.
    WENN DU WEDER VATER NOCH MUTTER
    HAST, WAS FÜR EIN WESEN BIST DU?
    BELÜGE MICH NICHT IN MEINER TODESSTUNDE. 
    DU WÜRDEST ES WAHRLICH BEREUEN! 
    Eiskaltes Wasser schien aus dem Kristall am Schwertgriff zu fließen. In seinem Schutz fühlte sich Sigfrid sicher und antwortete stumm. Ich heiße Sigfrid. Mein Vater ist Sigmund, der Wälsunge, und meine Mutter Herwodis, aus Hraidmars Sippe. Fafnir hob den Kopf hoch über die Wipfel der Bäume Im zuckenden Licht der Flammen und dem grauen Dunst, der vom Rhein in dichten Wolken aufstieg, glaubte Sigfrid, in dem riesigen Drachenkopf die Augen eines Mannes zu sehen.
    WAS ICH AUCH SAGE, IST IN HASS GESPROCHEN. ABER VERGISS NICHT, DAS GOLD WIRD AUCH ZU DEINEM UNTERGANG FÜHREN.
    Sage mir, Fafnir, denn du bist sehr weise und klug: Wer sind die Nomen, die den Müttern die Söhne schenken?
    NORNEN GIBT ES VIELE. EINIGE KOMMEN VON DEN ÄSEN, ANDERE VON DEN ALBEN. EINIGE SIND DIE TÖCHTER DWA-LANS.
    Wie heißt der Ort, wo am Weltuntergang die Götter ihr Blut zum letzten Mal vergießen?
    MAN NENNT IHN DEN UNGEFORMTEN.
    Ein Donnerschlag hallte weit über das Land. Der Drache fiel ausgebrannt auf die Erde. Zu seinem Staunen sah Sigfrid, wie das Gold an dem riesigen Leib verblaßte und ein schwarzgrünlicher Schlangenleib hinter den Schuppen sichtbar wurde.
    Sehr viel leiser hörte er in seinem Kopf wieder Fafnir sprechen. REGIN, MEIN BRUDER, DU HAST MIR DEN TOD GEBRACHT. DAS FREUT MICH, DENN JETZT MUSST AUCH DU STERBEN. Die unheimliche Schlange ließ den Kopf auf die Erde sinken. Als Fafnir wieder sprach, war seine Stimme kaum mehr als ein fernes Zittern im Felsen.
    ICH HABE DIE TARNKAPPE AUFGESETZT, UM DAS RHEINGOLD ZU BEWACHEN. ICH HABE GIFT IN DIE WELT GEBRACHT, DAMIT SICH KEINER IN MEINE NÄHE WAGTE. KEIN MENSCH WAR STÄRKER ALS ICH, ALLE HABEN MICH GEFÜRCHTET.
    Stöhnen erfüllte die Luft, denn der Drache spürte den nahenden Tod.
    ICH WAR GEFANGEN VOM GOLD, VOM WAHN DER MACHT, UND WEIL ICH DER MÄCHTIGSTE WAR, WERDE ICH JETZT ZUM NICHTS.
    Heftige Zuckungen ließen den Schlangenleib wieder und wieder erbeben. Im letzten Aufbegehren peitschte er die Luft, und Steinlawinen donnerten ins Tal. Dann war es plötzlich still. Sigfrid erhob sich taumelnd und hörte nur noch das Rascheln von knackenden Zweigen unter seinen Füßen.
    Undeutlich sah er im grauen Dunst den riesigen Leib des toten Lindwurms. Noch immer brannten viele Bäume und Sträucher, und überall lag schwelende Asche. Nur die Linde war vom Feuer verschont worden, denn Hörnirs feiner Dunst hüllte auch sie in die
    schützende weiße Wolke. Erschöpft sank Sigfrid unter dem Baum nieder, lehnte sich an den rauhen Stamm und verlor das Bewußtsein.

    *

    »Sigfrid!« hörte er Regin rufen, »Sigfrid, lebst du noch?« Ein Stöhnen kam über seine

Weitere Kostenlose Bücher