Rheingold
sah, begann er laut zu lachen. Er konnte nicht mehr aufhören zu lachen und rannte, wie von wilden Furien gepeitscht, in die Dunkelheit. Sigfrid sah, wie der schwarze Klumpen zischte, brutzelte und immer kleiner wurde. Der schwarze Rauch verzog sich langsam. Als er die frische kühle Nachtluft atmete, fiel die Starre von ihm ab. Er nahm das Schwert aus der Glut und faßte mit dem Zeigefinger vorsichtig an das geschrumpfte Herz. Es war so kalt, als habe er Eis berührt. Verblüfft leckte er das schwarze Blut vom Finger ab. Ein heftiges Brausen erhob sich um ihn. Die Luft begann zu leuchten. Alles war plötzlich in gleißendes Licht getaucht, das langsam wieder der Dunkelheit wich.
*
Als Sigfrid wieder zu sich kam, lag er auf dem Rücken und das Schwert mit dem Drachenherz auf ihm. Er hörte etwas in dem Baum über sich zirpen und zwitschern. Wie seltsam, dachte er, daß Vögel mitten in der Nacht singen. Zu seiner Verwunderung verstand er aber plötzlich, was der Vogel sang. »Seht nur!« rief er, »Sigfrid hat Fafnirs Herz geröstet und vor dem Nichts bewahrt. Jetzt sollte er es essen. Dann würde er klüger sein als jeder Mensch.«
Ein zweiter Vogel antwortete: »Regin, der Zwerg, ist wieder von der Gier des Goldes erfüllt. Er will Sigfrid betrügen und den Schatz mit der List der Zwerge an sich bringen.«
»Sigfrid sollte ihm den Kopf abschlagen«, zwitscherte ein dritter Vogel, »dann gehört ihm das Gold allein.«
»O nein, das wäre nicht klug. Er sollte auf das Gold verzichten«, rief ein vierter Vogel, »er kann sein Schicksal noch zum Guten wenden, wenn er Grani ruft und sich von dem sturmgrauen Hengst zu Sigifrida bringen läßt, die hinter den Flammen von Wachenheim schläft!«
»Ja«, zwitscherte der erste Vogel fröhlich, »Sigifrida ist klug. Sigfrid muß sie aus dem Schlaf erlösen und ihre Seele befreien. Dann wird er alles verstehen.«
»Sigfrid ist nicht vom Gift des Drachen verwundet, sondern vom Gift der Zwerge. Wie töricht von ihm, den Zwergen zu trauen. Sie waren noch nie die Freunde der Menschen.«
»Er sollte in Fafnirs Blut baden, dann kann kein Schwert ihm mehr schaden. Das giftige Blut des Drachen ist verbrannt, aber in den Gruben kann er Heilung und Schutz finden.«
Dann sangen sie alle durcheinander und flogen aufgeregt flatternd um seinen Kopf. »Wach auf! Sigfrid! Wach auf! Das Gift der Zwerge macht dich krank und willenlos. Versteck das Drachenherz vor Regin, sonst ist es um dich geschehen, um dich geschehen, um dich geschehen...«
Sigfrid schlug mühsam die Augen auf. Im Osten wurde es bereits hell. Er konnte sich nicht bewegen, aber mit zusammengebissenen Zähnen streckte er die Hände aus, rollte auf die Seite, entledigte sich seiner Kleider und kroch schließlich stöhnend zu den drei Gruben. Die Asche gab plötzlich unter ihm nach, angenehme Kühle umgab ihn weich und sanft wie ein feiner Nebel. Er wollte atmen, aber eine dicke, würzige Flüssigkeit füllte ihm den Mund. Die salzige Süße entfachte in ihm ein verborgenes Feuer. Er hustete, aber konnte keinen Ton hervorbringen. Ich bin unter Wasser, dachte er. Ist mein Schiff gesunken? Ich sollte bei diesem Sturm nicht die Überfahrt wagen ... Nein! Er kämpfte um sein Leben, bis sein Kopf die dicke Kruste durchbrach und er keuchend die kühle Morgenluft atmete. Alle Schmerzen fielen in diesem Augenblick von ihm ab. Er fühlte sich leicht und unbeschwert. Lachend sprang er aus der Grube. Das geläuterte Drachenblut umhüllte seinen nackten Leib wie eine zweite, seidige Haut. Er empfand eine Kraft und ein Glücksgefühl wie noch nie in seinem Leben. Die Vergangenheit schien wie ein schwächlicher, kränklicher Schatten hinter ihm zu liegen. Er jubelte laut und sah zu seinem Staunen, wie sich mit der aufgehenden Sonne der riesige Leib des Lindwurms in grünlichen Nebel auflöste. Die Schwaden wurden von den Strahlen des Lichts vertrieben. Ein übler Geruch hing in der Luft, aber die morgendliche Brise wehte auch ihn schnell davon. »Ja, der Drache ist tot!« rief Sigfrid glücklich.
Aber als er nach seinem Schwert greifen wollte, stellte er zu seiner Bestürzung fest, daß es fehlte. Wo ist Regin, dachte Sigfrid und erinnerte sich an die warnenden Worte des Alten: Laß dir dein Schwert nicht entwinden und hüte dich vor falschem Rat. Zornig hob er den Kopf und blickte zu den Felsen hinauf. Um den Gipfel lagen dichte Wolken, aber nicht weit vor dem Eingang der Höhle sah er Regins dunkle Gestalt. Sigfrid zögerte
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