Rheingold
nicht, sondern sprang über schwarze Steine und verkohlte Bäume. Er stieg und kletterte über das Geröll und rannte über die noch heiße Asche, die als stumme Zeugen des schrecklichen Kampfes den Felsen vom Tal bis zum Gipfel bedeckten.
Regin drehte sich blitzschnell herum, als Sigfrid hinter ihm erschien. Er zog Gram und schien entschlossen, damit seinen Ziehsohn anzugreifen. Fassungslos sah Sigfrid die auf sich gerichtete Klinge. »Du bist tot und von den Göttern verflucht!« zischte Regin, »Fafnir, du bist tot. Ich habe dein Blut getrunken...« Sigfrid wich geschickt den heftigen Schlägen aus. Aber Regin verfolgte ihn über die schwarzen Steine.
»Regin, ich bin es, ich, Sigfrid!« rief er, »dein Bruder ist tot. Ich bin Sigfrid!«
»Sigfrid...«, murmelte Regin und ließ Gram sinken. Aber dann hob er wieder das Schwert und holte zu einem tödlichen Schlag aus, mit dem er Sigfrid den Kopf von den Schultern trennen wollte. Sigfrid duckte sich rechtzeitig und sprang hinter einen großen Felsen. »Das Gold gehört mir! Sigfrid, du bist tot. Du bist verbrannt... das Drachenblut hat dich getötet. Ich habe dich mit dem Gift bestrichen. Du bist eingeschlafen, um nie wieder aufzuwachen.«
Regin verfolgte ihn mit Gram in der Hand. Sigfrid floh vor den tödlichen Hieben und rannte weiter zum Gipfel hinauf. Aber Regin blieb ihm auf den Fersen. »Stirb! Du solltest bereits tot sein.«
»Regin, komm zu dir! Hör auf!« rief Sigfrid und erreichte den Gipfel des Drachenfelsens. »Regin, ich möchte nicht gegen dich kämpfen. Ich teile das Gold mit dir.«
Regins Gesicht verzerrte sich zu einer unheimlichen Fratze. Sigfrids Worte schienen ihn noch mehr in Wut zu versetzen. Schnell wie ein Wiesel holte er Sigfrid ein. Bei dem schaurigen Anblick erstarrte Sigfrid und wartete einen Augenblick zu lang, ehe er Regins Schlag auswich. Die Klinge sauste durch die Luft und traf ihn am Bein. Aber sie schnitt ihm nicht ins Fleisch, sondern prallte von der Haut ab. Regin wurde von der Wucht des Aufpralls rückwärts geschleudert und stürzte rücklings auf den Boden. Sigfrid war im nächsten Moment über ihm, umklammerte seine Handgelenke und drückte ihn mit den Knien fest auf den Stein, so daß der Zwerg sich nicht mehr rühren konnte. »Mir gehört das Gold«, keuchte Regin, »mir... mir ganz allein... solange ich lebe, wirst du... nichts... NICHTS... davon bekommen...«
»Regin, ich will das Gold nicht. Ich lasse es dir. Du kannst alles haben. Nimm doch Vernunft an!« beschwor ihn Sigfrid verzweifelt. Regins Handgelenke waren kalt und hart. Sigfrid hatte die erdhafte Kraft, mit der Regin kämpfte, unterschätzt. Angestachelt von dem Wahn, der Gier und der Verzweiflung, die sein langes, verbittertes Leben in ihm aufgestaut hatte, wehrte sich der Zwerg. Seine Worte klangen dumpf und heiser. Er bleckte die Zähne und zischte: »Du bist zurückgekommen ... ich habe dich getötet... und du bist zurückgekommen... du wirst mich immer verfolgen... stirb, Sigfrid!... Du lebst bereits zu lange. Stirb den Heldentod... so wie die Zwerge es beschlossen haben.«
Rote Funken glühten in den dunklen Augen wie Feuer in einer schwarzen Höhle. Sigfrid wich erschrocken dem Blick aus. Sie rangen miteinander, rollten über den Boden, bis dicht vor den gähnenden Abgrund. Sigfrid hielt ihn wieder an den Händen und Füßen, aber Regin gab nicht auf, sondern schrie mit kreischender Stimme: »Ich weiß es! Ich weiß es schon lange. Du wirst mich umbringen ... ich habe es gesehen, wie du mich tötest... meine Schwester hat mich vor dir gewarnt... ja, von dir hat sie gesprochen... Sigfrid, du mußt sterben, oder ich kann nicht leben...«
Sigfrid gelang es schließlich, Regins Finger von dem Schwertgriff zu lösen. Er riß ihm Gram aus der Hand, sprang auf, hob das Schwert über den Kopf, und die blitzende Klinge, die sie beide zusammengeschmiedet hatten, schnitt durch Regins Bart und erstickte seinen letzten Schrei: »Sig...!«
Der blicklose Kopf rollte zur Seite. Der Rumpf zuckte nicht mehr, sondern erstarrte und lag dann wie ein gefällter Baum auf dem Felsen. Sigfrid stand mit dem blutigen Schwert in der Hand über seinem enthaupteten Ziehvater, seine Wut verebbte, und sein Herz schlug wieder langsam und ruhig.
»Das Schicksal ist erfüllt«, murmelte er zutiefst betroffen, »die unselige Macht der Zwerge ist gebrochen...«
Er kniete neben der Leiche, und Tränen stiegen ihm in die Augen. »Warum nur, Regin? Warum?« Stumm überließ er sich
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