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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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ist.«
    »Stimmt. Und sonst hast du keinen Grund, heute morgen so zufrieden auszusehen?« Hagen überhörte die Anspielung seines Bruders und blickte mit gerunzelter Stirn auf den kleinen Hügel vor ihnen. Er hob die Hand über die Augen, legte sie auf die Augenklappe, als habe er dort Schmerzen, und ließ sie wieder sinken. Sigfrid glaubte, er werde etwas sagen, aber Hagen schien es sich anders zu überlegen und schwieg. »Stimmt etwas nicht?« fragte Sigfrid. »Machen wir hier Rast? Es ist Zeit zum Essen.«
    Sigfrid sah Gunter an, der über den Vorschlag nicht so begeistert zu sein schien. »Wenn du willst«, sagte er schließlich, »aber ich finde es hier nicht sonderlich schön.« Sie hielten am Fuß des Hügels. Gunter und Hagen banden ihre Pferde an die dicken Äste einer Eiche neben dem Weg. Dann liefen sie die Anhöhe hinauf, wo ein flacher Fels einen natürlichen Tisch bildete.
    »Warum wolltest du hier Rast machen?« fragte Sigfrid, als sie saßen und Gutrids reichlichen Proviant verzehrten.
    »Hier haben wir uns Waldhar, dem Franken, in einer Schlacht gestellt, als er die Königstochter Hild bei sich hatte. Er hat seine Hand verloren und ich mein Auge. Gundorm, der Vater von Gernot und Giselher, ist hier gefallen und nicht wenige andere mit ihm.«
    »Du hast gegen Waldhar gekämpft? In allen Liedern wird doch immer eure Freundschaft besungen.«
    »Wir sind Freunde. Aber die Burgunder mußten gegen ihn kämpfen. Ich saß bewaffnet hier auf diesem Hügel, solange ich das verantworten konnte. Aber als die Schlacht drohte, für uns zu einer Niederlage zu werden, habe ich gegen Waldhar gekämpft.«
    Hagen schwieg, stützte das schwarze, bärtige Kinn auf eine Hand und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Wurfspeer. Er drehte den Kopf zur Seite und sah zu den Pferden, die friedlich am Wegrand grasten. Aber sein Auge schien weiter zu blicken und über die zerklüftete Landschaft in seinem Innern zu schweifen. Die drei aßen stumm. Auch Gunter wirkte nicht gerade fröhlich. Sigfrid bekümmerte die Niedergeschlagenheit seiner Freunde. »Ich bin gleich wieder da«, sagte er schließlich, stand auf, ging den Hügel auf der anderen Seite hinunter und verschwand zwischen den Bäumen. Als er außer Sichtweite war, nahm er die Tarnkappe aus dem Beutel und hielt sie nachdenklich in der Hand. Er dachte zuerst daran, die Gestalt eines Ungeheuers anzunehmen, um seine Gefährten etwa als Drache aus ihrem Trübsinn zu reißen. Aber er wußte, wenn sie kämpfen oder fliehen würden, wäre das nicht gut. Nein, sie sollten in Bewegung kommen, einfach auf andere Gedanken... Krimhild hatte gesagt, wenn er ausschließlich seinen Körper verändern würde, hätte er auch nur die Möglichkeiten, die seiner menschlichen Gestalt entsprachen... nun ja, er wußte, Gunter und Hagen würde er immer davonlaufen können. Dazu mußte er sich nicht wirklich verändern, und der Spaß war um so größer... Sigfrid setzte die Tarnkappe auf und stand im nächsten Augenblick auf allen vieren. Seine Hände und Füße wurden schmale harte Hufe. Goldbraunes Fell bedeckte seinen Körper. Er hob stolz den Kopf mit einem majestätischen Geweih. Einem so edlen Sechzehnender würde kein Jäger widerstehen. Sigfrid nahm Witterung auf wie ein richtiger Hirsch, aber er war noch ein Mensch und roch nur den wilden Lauch unter seinen Hufen; die Blätter unter dem blauen Himmel sah er blaßgrün und sein Fell goldbraun wie eine Haselnuß. Sigfrid lief durch Büsche und Bäume um den Hügel herum und näherte sich den beiden von Süden. Gunter sah ihn als erster. Er legte seinem Bruder die Hand auf den Arm und deutete stumm auf den riesigen Hirsch unter den Zweigen. Der Hirsch hob langsam den Vorderhuf und scharrte im Boden, als beunruhige ihn die Nähe der Menschen nicht. Dann drehte er sich langsam um und schritt davon.
    Der erste Treffer war wie ein Faustschlag auf den Rücken. Sigfrid drehte sich um und sah Hagens Wurfspeer auf dem Boden liegen. Die Spitze war verbogen. Gunter war bereits den Hügel heruntergerannt und spannte den Bogen. Der Hirsch sprang flink den Weg entlang, blieb auf einer kleinen Lichtung im einfallenden Sonnenlicht stehen und drehte sich kurz um, als wolle er die Gebikungen zur Jagd herausfordern.
    Gunters erster Pfeil streifte das Geweih. Der zweite prallte gegen das Hinterbein. Hagen lief mit gezogenem Schwert auf den Hirsch zu. Sigfrid staunte. Er hatte geglaubt, Hagen sei zu vorsichtig und zu klug, um einen Hirsch ungeschützt

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