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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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anzugreifen. Trotz Kettenhemd war er schneller, als Sigfrid erwartet hatte. Hagen hob das Schwert bereits zum Schlag, als Sigfrid davonsprang.
    Er rannte eine Weile vor den Gebikungen her, führte sie kreuz und quer durch das dichte Unterholz, durch Schlamm und Pfützen, folgte einem kleinen Flußlauf und lief dann wieder durch den Wald. Manchmal wich er Gunters Pfeilen aus, aber oft ließ er sie auch als Treffer auf sich prallen und hörte zu seinem Vergnügen, wie Gunter keuchte: »Getroffen!« und dann, »nicht zu fassen, ich habe doch gesehen, daß...«
    Als er schließlich sah, wie Gunter immer weiter zurückblieb und Hagen ihm zwar verbissen, jedoch mit hochrotem Kopf auf den Fersen blieb, setzte Sigfrid über eine Dornenhecke, wo Gunters letzter Pfeil zischend verschwand, und rannte, so schnell er konnte, in einem großen Bogen zu der Anhöhe zurück, wo sie gegessen hatten. Seine Verfolger mußten aufgeben.
    Sigfrid erhob sich auf die Hinterläufe, streifte die geliehene Gestalt ab und stand wieder als Mensch unter den Bäumen. Fröhlich schlenderte er den Hügel hinauf, setzte sich auf den Felsen und wartete auf seine Freunde. Es dauerte eine Weile, bis Gunter und Hagen auf dem Waldweg erschienen. Sie hinkten beide. Hagen preßte die Hand auf die Seite. Die Augenklappe war verrutscht, und Sigfrid sah den roten Rand der leeren Augenhöhle. Gunter schnaufte wie ein Blasebalg. Das Gesicht war noch immer rot und schweißnaß.
    »Wo bist du gewesen?« keuchte er auf halber Höhe. »Du hast alles verpaßt...«
    »Was denn?« fragte Sigfrid mit unschuldiger Miene. Hagen sah seinen Speer, hob ihn auf und bog die Spitze gerade. »Da war ein Hirsch, den wir erlegen wollten. Wir haben ihn verfolgt, aber er ist uns entkommen. Wenn du mit von der Partie gewesen wärst, hätten wir ihn vielleicht erlegt.«
    »Ich könnte schwören, daß ich ihn mehr als einmal getroffen habe.«
    Gunter hielt ein Bündel Pfeile mit abgebrochenen Spitzen in der Hand. »Sieh dir das an. Ich habe vermutlich schon viel zu lange in der Halle gesessen und den König gespielt, und jetzt treffe ich nur noch Steine und Baumstämme.« Er ließ sich mit einem Seufzer auf den Boden fallen. »Du wirst es nicht glauben... wir sind der Spur gefolgt, als wir ihn aus den Augen verloren hatten, aber plötzlich, mitten im Wald, kein einziger Abdruck mehr! In der Nähe fanden wir nur Abdrücke von einem Mann, aber die waren alt und ausgewaschen und so groß wie von einem Riesen.«
    »Wirklich, ein schöner Hirsch«, sagte Hagen. Sigfrid glaubte, in der metallischen Stimme zum ersten Mal so etwas wie Bedauern zu hören. Er sah Sigfrid an und sagte: »Wenn wir wieder in Worms sind, mußt du mit uns auf die Jagd gehen.«
    »Gern.«
    »In unseren Wäldern ist die Wildschweinjagd besser«, sagte Gunter. Er brummte und löste die Sehne vom Bogen, der ungespannt beinahe so lang war wie Sigfrid groß. »Aber dir wird es gefallen, das weiß ich ... also los, wir müssen weiter!« rief er wieder fröhlich, ging den Abhang hinunter, band Goti los und saß auf. »Wir haben genug Zeit hier verschwendet, und bis Toulouse ist es noch weit.«

    *

    Sigfrid, Hagen und Gunter erreichten Toulouse am späten Vormittag. Die gallische Sonne brannte heiß vom Himmel, und der Schweiß stand ihnen auf der Stirn. Zwei Krieger bewachten das Stadttor. Sie waren beide blond, der eine groß und schlank, der andere untersetzt und etwas kleiner. Sie trugen rote Tuniken, dunkle Hosen und römische Helme.
    Der Große lehnte mit halb geschlossenen Augen am Tor. Sein Gefährte warf müßig eine Kupfermünze von einer Hand in die andere. »Wer seid ihr und was wollt ihr?« fragte der Kleinere die drei Reiter. In Sigfrids Ohren klang seine Sprache dem Burgundischen sehr ähnlich, nur etwas breiter.
    Der Große musterte die Ankömmlinge von oben bis unten, ohne sich von der Stelle zu bewegen, dann spuckte er geringschätzig in den Staub. »Wieso seid ihr an einem Feiertag unterwegs?« fragte er langsam und schwerfällig wie ein Maulesel, der über ein staubiges Feld trottet. »Ihr kommt für die Messe zu spät, wenn ihr in die Kirche wollt.«
    »Ich bin hier, um mit König Theoderid über seine Tochter Brünhild zu sprechen«, erwiderte Gunter und ritt bis dicht vor den Mann. Der Wächter bewegte schnell die rechte Hand von der Stirn bis zum Nabel und dann von Schulter zu Schulter. Das Zeichen erinnerte an Donars Hammer, mit dem die Menschen sich vor bösen Geistern schützen. Der Kleinere kniff

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