Rheingold
Hagen hier sind, werden sie etwas zur Stärkung brauchen.« Er überlegte und lachte dann leise bei dem Gedanken, der ihm kam: »Hör zu, Junge, laß dich eine Weile hier nicht sehen. Ich begrüße die beiden selbst...«
»J... ja, Fro Sigfrid«, stammelte der Junge und rannte in das Gasthaus zurück. Sigfrid nahm Grani den Sattel und die Satteltaschen ab, brachte sie in die Wirtsstube und stellte alles neben das Feuer. Dann lief er wieder in den Regen hinaus. Er ging hinter das Haus, blickte sich vorsichtig um, und als niemand zu sehen war, holte er die Tarnkappe aus dem Gürtelbeutel und zog sie über den Kopf. Er drückte die goldene Scheibe mit den acht Dreizacken zwischen die Augen und dachte an die Zeit zurück, als er ein Junge von dreizehn Wintern war... groß wie ein ausgewachsener Mann... aber schlaksig... die Haare lang und dicht, aber zerzaust und schmutzig nach dem tagelangen Schlafen auf der Erde... die Augen richtete er ängstlich auf den Boden, denn er wollte nicht erkannt werden... nur ein gehorsamer Lehrling sein...
Sigfrid glaubte kleiner zu werden, Arme und Beine wurden leichter, der Bart verschwand, die dicken Regentropfen fielen auf die glatten Wangen. Sigfrid legte die Hand auf den Kopf; obwohl die Tarnkappe noch dort saß, spürte er die feinen Gold glieder nicht mehr. Er sah sich um. Die Gebäude des Gasthauses und die Bäume wirkten plötzlich größer, so als seien sie im Handumdrehen gewachsen. Er lachte, aber das Lachen klang in seinen Ohren hell und hoch wie eine Kinderstimme. Die nackten Füße standen in kaltem Schlamm, der sich zwischen die Zehen schob. Um die schmutzige Tunika trug er ein einfaches Seil.
Als er um die Hausecke kam, hob Grani den Kopf und wieherte leise. Sigfrid streichelte sein Fell und lobte Grani, der sich von dem Zauber nicht täuschen ließ. Er führte den Hengst in den Stall und rieb ihn trocken. Nach einer Weile hörte er im Regen dumpfe Hufschläge. Sigfrid eilte aus dem Stall und lächelte verstohlen, als Gunter und Hagen ihre Pferde noch mehr antrieben, als sie den Gasthof sahen. Bei dem Anblick der beiden durchnäßten und mit Schlamm bespritzten Reiter hätte man glauben können, es seien zwei einfache Männer, die wenig Beachtung verdienten.
Sigfrid eilte durch den Regen, um ihnen die Zügel abzunehmen, und senkte bescheiden den Kopf.
»Willkommen in Gutrids Gasthof, edle Ritter«, murmelte er ehrerbietig, »darf ich eure Pferde versorgen?«
Gunter und Hagen saßen ab, überließen ihm die Zügel und nahmen die Satteltaschen von den Pferden. Die Burgunder waren Sigfrid immer klein erschienen, aber jetzt stellte er fest, daß Gunter ihn überragte - er war größer als die meisten seiner Männer, kräftig und mit breiten Schultern. Hagen überragte seinen Bruder sogar noch um eine Handbreit.
»He, du«, rief Gunter plötzlich, als Sigfrid ihre Pferde wegführen wollte, »sieh mich an ... na los, heb den Kopf! Sag mal, wer ist denn dein Vater, Junge?«
»Weiß nicht«, murmelte Sigfrid und starrte auf den Boden. »Und deine Mutter?« Sigfrid hob stumm die Schultern und ließ sie wieder sinken. »Was machst du hier?« fragte Gunter. »Ich bin der Junge im Gasthaus«, murmelte er und hustete verlegen, »versorge die Pferde, Fro. Ich bekomme Schläge, wenn ich mich nicht beeile...«, fügte er plötzlich hinzu, um die peinliche Befragung möglichst schnell zu beenden, »bitte, Fro...«
»Laß ihn doch«, brummte Hagen, »wie du siehst, ist er ein Dummkopf ... Komm, wir waren lange genug im Regen.« Sigfrid führte die Pferde in den Stall, den Gutrid inzwischen hatte bauen lassen. Versorgte sie mit Hafer und Stroh, nahm ihnen die Sättel ab und schloß sorgfältig die Verschlage. Dann holte er tief Luft, versetzte sich in die Gegenwart zurück, bis er spürte, daß er wieder der alte war, mit Bart, Schuhen und Umhang. Gram hing in der Scheide am Gürtel. Er nahm die Tarnkappe vom Kopf, schob sie in den Beutel, unterdrückte ein Lachen und lief munter zum Vordereingang zurück.
Gunter und Hagen saßen bereits am Feuer und tranken heißen Wein aus dampfenden Bechern. Gunter hatte die Schuhe ausgezogen und hielt die Füße so dicht wie möglich an die Glut. Der Geruch nach nasser Wolle mischte sich mit dem Knoblauch aus der Küche. »Wo hast du dich versteckt?« fragte Gunter, als Sigfrid sich zu ihm ans Feuer setzte.
»Ich habe Grani trockengerieben und versorgt. Er läßt doch niemanden in seine Nähe. Warum?«
»Du hast nicht zufällig einen
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