Rheingold
die Augen zusammen und musterte Gunter argwöhnisch.
»Ihr kommt im Auftrag der Burgunder?« fragte er. »Ja.«
»Bestimmt könnt ihr mir das in irgendeiner Form beweisen, oder? Ich habe den Befehl, Boten, die von König Gunter kommen, einzulassen. Aber König Theoderid und alle seine Gefolgsleute sind bei der Pfingstmesse, und ich möchte keinen Ärger bekommen...«
Sigfrid ritt in einem bewußt weiten Halbkreis neben Gunter. Er blickte stirnrunzelnd auf die Wachen und wartete, bis sie seinem Blick ausweichen mußten, dann sagte er: »Das sind König Gunter und sein Bruder Hagen. Ich bin Sigfrid, Sigmunds Sohn, der Drachentöter, von dem ihr bestimmt schon das eine oder andere Lied gehört habt. Wenn ihr uns nicht glaubt, dann seht euch mein Schwert an, das in allen Liedern besungen wird.« Er schob den Umhang zur Seite, der Kristall blitzte in der Sonne auf und blendete mit seinem Funkeln die verwirrten Wächter.
Wortlos salutierten sie, traten zur Seite und öffneten Sigfrid, Gunter und Hagen das Tor. Der Große folgte ihnen, nahm Gunters Pferd am Zügel und führte sie den Weg entlang. Die Straßen waren mit Steinen gepflastert. Überall lagen Pferdemist und dicker Staub. Ein paar Hühner scharrten in den Ecken, aber ansonsten waren die Straßen leer.
»Dort drüben ist das Badehaus, wenn ihr euch nach dem langen Ritt erfrischen wollt«, sagte der Wächter und deutete auf ein großes mit weißem Marmor verkleidetes Gebäude, über dessen Portal römische Schriftzeichen glänzten. »In der Halle des Königs wird bis zum Mittag kaum jemand sein. Es wäre deshalb das beste, wenn ihr jetzt hier erst einmal Rast macht. Ich nehme eure Pferde und bringe eure Sachen in die Halle, wenn ihr wollt.«
Sigfrid warf einen Blick auf Gunter und Hagen. Sie sahen beide so heruntergekommen aus, wie sie sich nach drei Wochen unterwegs zu Pferde fühlten.
Gunter sah ebenfalls seine beiden Gefährten an und nickte. »Also gut, gehen wir ins Badehaus!«
Die drei saßen ab, nahmen die Satteltaschen, und Gunter und Hagen überließen die Pferde ihrem Führer. Sigfrid bedeutete dem Mann, Grani allein laufen zu lassen.
»Er folgt dir nur freiwillig oder überhaupt nicht.« Er klopfte Grani den Hals und redete dem Hengst gut zu. »In den Ställen gibt es Futter für dich, und ich komme später nach, um dich zu versorgen. Du kannst dem Mann folgen, und sei friedlich, ja?«
Grani schnupperte an dem Helm des Wächters und schnaubte widerwillig. Aber dann folgte er den beiden anderen Pferden, drehte sich aber immer wieder nach Sigfrid um, der ihm aufmunternd zunickte.
»Wie hast du ihm das nur beigebracht?« fragte Gunter bewundernd, als sie das Badehaus betraten, »er scheint dich wirklich zu verstehen. Du mußt mir unbedingt zeigen, wie ihr die Pferde abrichtet.«
»Grani hat das von Anfang so gemacht. Ich habe ihm nichts beigebracht, und bei einem anderen Pferd wäre das wohl kaum möglich«, erwiderte Sigfrid und staunte über die Mosaikbilder auf den Wänden und dem Boden. Riesige Männer rangen mit Stieren und seltsamen Wesen, die Oberkörper wie Menschen hatten und Leiber wie Pferde.
Ziegen tanzten auf zwei Beinen zu der Musik eines Flötenspielers, etwas weiter im Innern der großen runden Eingangshalle stürzten sich Frauen mit schrecklichen Fratzen auf einen Sänger und schienen ihn in Stücke reißen zu wollen.
Ein kleiner Mann mit dichten lockigen schwarzen Haaren kam barfuß auf sie zu und fragte unterwürfig: »Wollt ihr mir eure Sachen geben, eure Kettenhemden? Für drei Kupferstücke wird alles sauber...«, versprach er in gebrochenem Gotisch. Zu Sigfrids Überraschung hatte Hagen bereits den Schwertgürtel abgenommen und streifte sein Kettenhemd von den Schultern, auch Gunter legte seine Sachen ab.
»Wir ziehen uns hier aus«, erklärte Gunter und gab dem Mann die Hose mit der Tunika und dem Schwertgurt; nur den goldenen Eberzahn behielt er um den Hals. Der Burgunderkönig hatte eine lange Narbe auf dem rechten Oberschenkel. Sie wirkte wie eine helle Schlange zwischen den dicken Beinmuskeln. Auch auf dem Oberkörper hatte er mehrere kleinere Narben - nicht ungewöhnlich für einen Krieger. Als Hagen die Tunika auszog, sah Sigfrid bei ihm eine breite Narbe vom Nabel bis zum Brustbein. Nur Glück oder ein günstiges Geschick müssen ihn vor dem Tod bewahrt haben, dachte Sigfrid staunend.
Sigfrid beeilte sich mit dem Ausziehen, aber als der Knecht den Schwertgurt an sich nahm, zog Sigfrid das Schwert aus der
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