Rheingold
schwülen Sommertag.
»Eines Tages werden wir in Worms auch so ein Badehaus haben«, murmelte Gunter, »... vielleicht sogar schon bald, wenn Brünhild es sich wünscht.«
»Das wäre schön«, stimmte ihm Sigfrid zu. Er legte die gekreuzten Arme und das Kinn auf den Beckenrand, paddelte mit den Beinen und bewunderte die Marmorzehen der Statuen, die verblüffend echt wirkten.
»Du hast ein seltsames Mal auf dem Rücken«, sagte Hagen, »hast du das seit deiner Geburt?« »Wo?«
Hagen kam durch das hüfthohe Wasser zu Sigfrid. »Hier direkt unter dem linken Schulterblatt.«
Sigfrid spürte, wie Hagen seinen kalten Finger auf die Stelle legte. Sigfrid drehte den Kopf. »Wie sieht es denn aus?«
»Grauschwarz wie Asche, und es hat die Form von einem Blatt... es ist so spitz wie ein Lindenblatt. Tut das weh, wenn ich darauf drücke?«
»Nein«, erwiderte Sigfrid, »ist mir noch nie aufgefallen. Aber wie sollte ich das auch sehen können?«
»Na ja, wenn es nicht weh tut, dann mußt du dir darüber auch keine Gedanken machen.« Hagen tauchte in das klare Wasser und glitt lautlos zur anderen Beckenseite.
»Das war ein guter Zeitpunkt, an einem Feiertag nach Toulouse zu kommen, wenn alle Christen in der Kirche sind«, sagte Gunter nach einer Weile. »Ich habe gehört, daß die Badehäuser normalerweise nicht so leer sind.« »Bestimmt kommen viele hierher«, sagte Sigfrid. »Alle Römer und auch die Goten. Übrigens, die Goten verehren einen anderen christlichen Gott... sie nennen sich Arier. Es hat im Reich deshalb schon Kämpfe und Unruhen gegeben. Wahrscheinlich wird uns Brünhild das genauer erklären können.«
Draußen hörten sie das Läuten einer Glocke. Der laute, tiefe Klang ließ den Marmorboden im Badehaus vibrieren. Hagen legte die Hände auf die Ohren und rieb sich die Schläfen, als bereite ihm das Glockengeläut Schmerzen.
»Ich kann mich auch nicht dran gewöhnen«, bemerkte Gunter, »wollen wir weiter?« Er leerte den Becher, und sie gingen in die nächste riesige Halle. Das Becken, das sich dort erstreckte, war so groß wie ein Teich. Auf seinem Boden zeigte ein Mosaikbild einen nackten Mann mit dichten, langen grünen Haaren und einem grünen Bart. Er hielt einen Dreizack in der erhobenen rechten Hand und stand auf einem zweirädrigen Wagen, der von grünen Pferden mit weißen Mähnen gezogen wurde.
Sigfrid legte Gram auf eine der Bänke, lief zu dem Becken und sprang hinein. Das eiskalte Wasser traf ihn wie ein Schock. Lachend tauchte er wieder auf und schüttelte das Wasser aus den langen Haaren. Gunter und Hagen blieben vorsichtig am Beckenrand stehen. »Kommt rein!« rief er ihnen zu.
Gunter kniff die Augen zusammen, gab sich einen Ruck und sprang mit einem großen Satz platschend in das Becken, so daß Sigfrid das kalte Wasser über den Kopf schlug. Sigfrid wischte sich die Augen und sah, wie Hagen geräuschlos ins Wasser glitt. Als er auftauchte, band er das Lederband fester, das die Augenklappe hielt. Seine schwarzen Haare hatten sich aus dem Knoten gelöst und hingen ihm über die Schulter. Zum ersten Mal wirkte er jung und nicht ganz so ernst.
»Nimm doch die Augenklappe ab«, riet ihm Sigfrid, »das ist doch viel angenehmer für dich.«
Aber Hagen schüttelte den Kopf. Als Sigfrid auf ihn zuschwamm, tauchte er blitzschnell unter Wasser, bevor Sigfrid ihn fassen konnte.
»Mich fängst du nicht«, rief er dann vom anderen Ende des Beckens, »schwimmen kann ich besser als du.«
Auch Gunter hechtete in Richtung Hagen, aber
der war schon wieder untergetaucht. Sigfrid
verfolgte ihn mit kräftigen Stößen. Unter
Wasser wirkte alles verschwommen in dem grünlichen Licht über dem Mosaik und den hellgrünen Fliesen an den Beckenwänden. Trotzdem war es schön, unter Wasser sehen zu können und ohne eine Strömung zu schwimmen. Einen Augenblick lang glaubte Sigfrid, wie ein Vogel im klaren Himmel zu schweben. Dann packte eine kalte Hand sein Fußgelenk und zog ihn nach unten. Verblüfft schluckte er Wasser. Spuckend und hustend versuchte er, sich zu befreien, um aufzutauchen. Schließlich trat er Hagen heftig mit dem rechten Fuß gegen die Schulter.
Prustend und nach Luft ringend tauchte Sigfrid auf. Hagen kam dicht neben ihm an die Wasseroberfläche.
»Alles in Ordnung?« fragte er besorgt. »Ich wußte nicht, daß du Wasser geschluckt hattest...«
Sigfrid spuckte noch immer Wasser und holte dann tief Luft. »Schon gut. Das macht nichts«, und wollte sich wieder auf Hagen
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