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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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Frowe Huldas Hilfe und Segen bringen könnte.«
    »Ja, Sigfrid, hol die Katze«, meinte auch Olwin besorgt. Sigfrid ging zur Tür, drehte sich aber auf der Schwelle um und sagte: »Wenn ihr versuchen solltet, mich auszusperren, dann werde ich die Tür einschlagen...«
    Gudolinds dicke Backen wurden rot, und Olwins schuldbewußter Blick zeigte Sigfrid, daß seine Drohung nicht unangebracht war. Minne, wie sie inzwischen von allen gerufen wurde, lag wie eine Fellkugel mit dunklen und goldenen Streifen dicht neben einer der Feuerstellen in der großen Halle und schlief. Nur den Schwanz hatte sie in Richtung Feuer gestreckt. Sie schnurrte, als Sigfrid sie auf den Arm nahm und streichelte. Dann drückte sie sich an seine Brust.
    Er eilte in die Kammer zurück, wo die Frauen abwechselnd Gudruns Hände hielten, wenn die Wehen einsetzten. Als er eintrat, hatte Gudrun die Augen geschlossen und umklammerte Olwins Hand. Die Frau wurde bleich unter Gudruns festem Druck. Sigfrid schloß die Tür hinter sich und setzte Minne auf das Bett. Die Katze reckte und streckte sich, schnupperte in die Luft und legte sich wieder hin. Gudrun öffnete die Augen und lächelte schwach, als sie das warme Fell der Katze spürte. Sie ließ Olwins Hand los, lehnte sich in die Kissen zurück und atmete langsam und tief. »Die Krämpfe werden sehr viel stärker und kommen schneller«, flüsterte Gudrun, »vielleicht dauert es nicht mehr lange.« Adalflad schüttelte den Kopf. »Frija läßt einige Frauen schnell gebären. So schnell wie du bist, müßte das Kind schon draußen sein, aber der Kopf ist zu groß.«
    Sigfrid sah, wie Gudolind ihr in die Seite stieß und etwas ins Ohr flüsterte. Adalflad runzelte die Stirn, zog die Augenbrauen zusammen und blickte Sigfrid streng an. Aber sie schwieg. Sigfrid schob Olwin zur Seite und nahm wieder Gudruns Hände. Als die nächste Wehe einsetzte, traten Gudolind und Adalflad an das Bett und legten die Hände flach auf Gudruns Bauch. Gudrun schloß die Augen und stöhnte zwischen zusammengebissenen Zähnen. Ihr Körper zuckte unter der Anstrengung, das Kind herauszupressen. Sigfrid glaubte, ihren Schmerz wie ein Echo in sich zu spüren, und überlegte, ob er nicht die Kunst der Runen anwenden sollte, um ihr zu helfen. Aber inzwischen hütete er sich vor den geheimen Künsten, denn er kannte den hohen Preis. Er glaubte fest daran, das Schicksal werde für seinen Sohn günstiger sein, wenn Gudrun ihn allein mit ihrer Kraft auf die Welt bringen würde. Außerdem standen die Frauen um das Bett. Wenn er den Zauber wirken lassen wollte, dann mußte er sie wegschicken. Aber sie wußten alles über eine Geburt und er nichts. Gudrun blieb zwischen den Wehen kaum noch Zeit zum Luftholen. Der Kopf des Kindes hatte sich schon zwischen den Beinen gezeigt - blaß und rund wie ein neuer Schildbuckel. Aber er war zu groß, um herauszukommen. Gudrun begann zu schreien, doch dann stöhnte sie nur noch erschöpft.
    Die Fackeln, die am Mittag angezündet worden waren, würden bald ausgebrannt sein. Gudolind schickte die anderen Frauen hinaus. »Ich kann dein Kind noch retten«, flüsterte die nAlte Sigfrid zu, »aber es wäre besser, wenn du jetzt gehst, denn das solltest du nicht mitansehen.«
    »Du gehst«, erwiderte Sigfrid, »geh...«
    »Ich kann das Kind retten!« wiederholte die Alte zornig. »Du weißt nicht, was du tun mußt.« Sigfrid blickte sie nur an, da drehte sie sich um und eilte aus der Kammer.
    Er zog Gram aus der Scheide, richtete die Schwertspitze auf seine Handfläche und zeichnete die Runen, die er durch Sigidrifa kannte. Er versuchte, ihre Stimme zu vergessen, die immer noch laut und klar in ihm tönte wie das Echo von Schwertern, die aufeinander klirren, Uruz, Nauthiz, Berkano; und wieder Berkano, Ingwes Rune, für den Samen, und Jera, die Rune der Ernte, damit der Same zur Frucht ausreife, damit der Leib mit der Hilfe der Idisen gebären konnte. Er legte seine Hände auf Gudruns Bauch und sang das Galdor-Lied der Runen. Er ließ sich von dem aufbrausenden Wind seines Rufs in die verborgenen Welten davontragen. Er glaubte, einen roten Apfel zu sehen. Er war so rot wie eine Eibenbeere. Der Apfel war reif. Eine Schwanenfrau hielt ihn in der Hand. Der rote Apfel leuchtete vor den Gliedern ihres Kettenhemds und dem stählernen Helm auf ihrem Kopf. Wotan hatte die Walküre Hild mit einem Apfel zu Wals Vater geschickt. Als Sigfrid jetzt Ansuz, Wotans Rune, sang, die Götter-Rune, die den Weg zwischen den Welten

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