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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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nachlassen werde. Gudrun begann wieder zu schreien, dann stöhnte sie, schließlich murmelte sie nur noch leise. Die Krämpfe ließen langsam nach, und ihre Augen begannen wieder zu sehen. Sie starrte wie gebannt auf den Ring an ihrem Finger. »Woher hast du diesen Ring?« flüsterte sie tonlos.
    »Aus Gallien. Das Pferd deines Bruders wollte nicht durch das Feuer springen, und Grani bewegte sich mit ihm als Reiter nicht von der Stelle. Deshalb haben wir mit der Tarnkappe unsere Gestalt getauscht. Ich blieb die drei Nächte der Verlobung in seiner Gestalt und unter seinem Namen bei Brünhild in der Burg. Dort nahm ich ihr diesen Ring ab und gab ihr Gunters Ring.«
    »Weiß sonst noch jemand davon?«
    »Niemand außer Hagen.« Und vermutlich Krimhild, dachte er bitter.
    Gudrun seufzte und entspannte sich. Sie hob langsam die Arme und setzte sich auf. »Ich... ich bin nicht mehr müde«, sagte sie erstaunt. »Was sollen wir tun?« Sigfrid hörte draußen im Gang leises Lachen und Stimmen. Die Zeugen der Hochzeitsnacht hielten wie versprochen Wache bis zum Morgengrauen. »Ich weiß nicht.«
    Sie setzte sich neben ihn. Er spürte unter dem weißen Gewand, das wie dünne Asche über der Glut lag, die Flammen des Drachens als angenehme Wärme. »Hast du noch Schmerzen?«
    »Nein.« Dann wiederholte sie langsam und staunend: »Nein, ich habe keine Schmerzen mehr. Ich fühle mich so... so stark und... hörst du das?«
    Gudruns Augen leuchteten, als sie zum Fenster eilte. Sigfrid folgte ihr und stellte sich neben sie. Er hörte den Ruf eines Nachtvogels, dem ein anderer antwortete. Aber er wollte jetzt nicht wissen, was die Vögel ihm zu sagen hatten. Trotzdem blieb er stehen und wartete, bis Gudrun sich plötzlich umdrehte und die Arme um seine Hüfte legte.
    »Hast du es gehört?« flüsterte sie. »Sie haben gesprochen, und ich habe sie verstanden! Sie haben gesagt, wenn wir jetzt wieder miteinander schlafen, können wir einen Sohn bekommen, der in sich die ganze Kraft der Wälsungen hat. Sigfrid...«
    Gudruns Arme drückten ihn fest. Sie wich nicht vor ihm zurück, ihre Augen leuchteten mit den silbernen Funken der Sterne im Licht der niedergebrannten Kerzen.
    »Sollen wir... ?«
    »Ich habe keine Angst mehr.«
    Sigfrid trug Gudrun zu dem Bett zurück, setzte sich und nahm sie auf den Schoß, damit er sie besser küssen konnte. Sein Verlangen stieg, aber ihn erfaßten weder Übelkeit noch Gier, sondern er spürte die angenehme Wärme, die von ihrem Feuer auf ihn übersprang. Die eiserne Klammer um seine Brust, die ihn gefesselt hatte, löste sich unter ihren leidenschaftlichen Küssen, und er wußte, es gelang ihm, wenigstens einen seiner Fehler wiedergutzumachen. Aber auch mit geschlossenen Augen konnte er Gudrun nicht für Brünhild halten, trotzdem flüsterte er: »Ich liebe dich«, aber er wußte, er würde nie in der Lage sein, daran zu glauben, »du sollst Fafnirs Schatz als Morgengabe haben.«

4
DIE KÖNIGINNEN
    Die Sonne schien hell auf die dünne Schneedecke. Die Tannen hoben sich schwarz von dem weißen Boden ab. Sigfrid lief barfuß durch den Schnee. Hier in den Bergen um die Halle, die früher Chilpirich gehört hatte und jetzt Sigfrids Halle war, lag der Schnee oft noch nach dem Ostarafest; manchmal setzte die Schneeschmelze sogar erst eine oder zwei Wochen vor dem Thrimilci-Mond ein. Aber die Tage waren jetzt schon wieder länger als die Nächte; der Mond würde bald voll sein, und dann begann der Sommer. Sigfrid hoffte, daß in diesem Jahr der Schnee nicht so lange liegenbleiben würde. Dann war der Wald nicht mehr die eisige Wildnis wie an jenem Ostarafest, an dem Regin Gram geschmiedet hatte. Er freute sich darauf, wieder durch den Wald streifen zu können.
    Sigfrid ließ die Hand seiner Frau los und ging zu der Bank vor der Halle, die er aus zwei dicken Baumstämmen gezimmert hatte. Er entfernte den Schnee und half Gudrun dann, sich zu setzen. Auch in dem dicken Pelzumhang, den sie trug, sah man deutlich den hoch gewölbten Leib. Sie ging schwerfällig unter der Last, die sie zu tragen hatte.
    Gudrun setzte sich seufzend, hob das Gesicht und ließ die Sonne auf die bleiche Haut scheinen. Sigfrid nahm neben ihr Platz, legte ihr den Arm um die Schultern, und sie lehnte sich dankbar an ihn. Gudrun war während der Schwangerschaft so unbeweglich geworden, daß sie in den letzten Tagen kaum noch das Bett verlassen hatte. Trotzdem wirkte sie müde und blaß. Sigfrid sah, daß das Kind in ihrem Leib ihre ganze

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