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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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Kraft in Anspruch nahm.
    »Wie schön, wieder im Freien zu sein.«
    Gudrun seufzte. »Ich hatte schon den Eindruck, die Stürme würden nie mehr aufhören, und ich würde nie mehr ins Freie können.«
    »Ich wollte, es würde dir bessergehen.«
    »Ich weiß, Liebster. Es ist nicht deine Schuld... obwohl... es natürlich deine Schuld ist.« Sie lächelte und legte ihm die Hand auf die Wange. »Sagen wir, ich nehme es dir nicht übel, aber ich bin doch froh, wenn das endlich vorüber ist.«
    Sigfrid legte ihr die Hand auf den dicken Leib. Durch die Wolle ihres Kleids und den Pelz spürte er die Stöße einer winzigen Hand oder eines ebenso winzigen Fußes gegen Gudruns Bauchdecke. »Das ist ein kleiner Krieger«, sagte er wie mittlerweile zwanzigmal am Tag, seit der stürmischen Nacht, in der sie zum ersten Mal die Bewegungen des Kindes in sich gespürt hatte.
    »Ein kleiner Wälsung«, erwiderte Gudrun, »ich werde mich freuen, wenn er außer mir noch jemanden hat, mit dem er kämpfen kann.« »Wer soll das sein? Die Hunnen?«
    Gudrun nickte, ehe sie nach Osten blickte. So groß der Schwarzwald auch war, und trotz der Achtung der Hunnen vor Sigfrid, dem Drachentöter, blieben sie gefährliche Nachbarn. »Vielleicht«, sagte sie, »vielleicht wird er aber auch Konstantinopel erobern. Von Rom wird nicht mehr viel vorhanden sein, wenn er groß ist.«
    Ein weißer Vogel mit schwarzen Flügeln hüpfte auf einer Tanne von einem Ast zum anderen. Er legte den Kopf zur Seite, öffnete den Schnabel und stieß einen trillernden Ton aus, der wie ein winziger Hammer klang, der auf Holz schlägt.
    »Es war gerade Vollmond, als wir geheiratet haben«, sagte Gudrun nachdenklich, »es dürfte jetzt nicht mehr lange dauern.« Sie schwieg und gestand Sigfrid dann: »Ich wünschte mir fast, meine Mutter wäre hier. Ich weiß nur halb so viel über Kräuter und Heilmittel wie sie. Sie kennt Pflanzen, die den Schmerz lindern und bei einer schwierigen Geburt helfen...«
    Sigfrid erstarrte innerlich. Er hatte nie etwas Schlechtes über Krimhild gesagt, aber schon der Gedanke an sie versetzte ihn in Wut. Auch Gudrun erwähnte sie selten.
    »Ich glaube, es bleibt keine Zeit, sie aus Worms zu holen«, gelang es ihm schließlich, ruhig zu sagen. Es sei denn, sie spioniert uns in einer ihrer Gestalten nach, dachte Sigfrid, obwohl er inzwischen genug wußte, um sie in jeder Tarnung zu erkennen.
    »Ich weiß... es war nur so ein Gedanke.«
    Nach einer Weile wurde Gudrun unruhig, bewegte die Füße und stampfte leicht auf den Schnee. »Was ist?« fragte er.
    »Meine Beine sind völlig gefühllos. Das ist jetzt immer so, wenn ich zu lange auf bin. Sie sind geschwollen und durch die Schuhe schwellen sie noch mehr. Das Blut kann nicht mehr kreisen.«
    »Möchtest du wieder hinein und dich hinlegen?«
    »Eigentlich nicht, es ist so schön hier draußen. Aber so wie es aussieht, werde ich mich wohl wieder hinlegen müssen.«
    Gudrun stand stöhnend auf, stützte die Hände auf die Bank und zuckte zusammen, als das ganze Körpergewicht die Füße belastete. Dann stieß sie einen Schrei aus und fiel wieder auf die Bank zurück.
    »Was hast du?«
    »Ich... oh!« Sie schloß kurz die Augen, und als sie Sigfrid ansah, lächelte sie mit zitternden Lippen. »Ich glaube, die Fruchtblase ist geplatzt...«
    »Was bedeutet das?«
    »Unser Kind kommt noch heute...«
    Sigfrid stieß einen lauten Freudenschrei aus. Gudrun hob die Hände, um ihn zurückzuhalten. Er hätte sie am liebsten auf die Arme genommen und jubelnd im Kreis gedreht. Statt dessen lief er zu einem hüfthohen Stein neben dem Weg, hob den Granitblock hoch und warf ihn den Abhang hinunter. Der Stein prallte krachend gegen eine Tanne, die langsam umknickte.
    »Bist du jetzt wieder zurechnungsfähig?« fragte Gudrun gequält. »Ich muß jetzt hinein. Wenn es dir nicht aufgefallen sein sollte, das Kind ist noch nicht ganz da.«
    Sigfrid strahlte sie an, aber er sagte mitfühlend: »Tut mir leid.«
    »Du kannst mich in meine Kammer tragen, wenn du zuviel Kraft hast«.
    Er nahm sie vorsichtig auf die Arme und ging mit ihr zur Halle. Unterwegs hielt Sigfrid Ausschau nach einer Frau, die er zur Hilfe rufen konnte. Er wußte, die meisten waren in ihren Häusern oder im Wald, um Holz für das Ostarafest zu sammeln. Nur Hildkars Frau Olwin saß vor ihrer Haustür und stillte ihr kleines Töchterchen. »Olwin!« rief Sigfrid. »Komm schnell. Die Fruchtblase meiner Frowe ist geplatzt, und die Wehen werden bald

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