Rheingold
Hunden«, erklärte er selbstbewußt, »auch wenn sie mich anbellen. Die irischen sind sogar größer als ich.«
»Ich habe auch keine Angst vor Hunden!« rief Sigmund. »Ich fürchte mich nicht einmal vor Wölfen. Wir haben zu Hause viele Wölfe im Wald«, sagte er stolz zu Nibel.
»Laßt sie doch mitkommen«, meinte Giselher. Er war seit der Hochzeit gewachsen, hatte breitere Schultern, und der erste Flaum zeigte sich über der Lippe. Er trug ein großes goldenes Kreuz am Hals, das sich hell von der dunkelblauen Tunika abhob. »Gernot und ich sind auch schon als Kinder mit auf die Jagd gegangen.«
Gernot nickte. Er war in den letzten drei Jahren sehr groß geworden und hatte einen dichten schwarzen Bart.
»Sie sind noch zu jung«, wiederholte Hagen streng. »Ihr beide werdet heute nicht mit auf die Jagd gehen«, sagte Sigfrid energisch zu den Jungen, »aber morgen mache ich euch Bogen und Pfeile, und dann schießen wir Vögel. Das ist dann ein richtiges Abenteuer für zwei so starke Krieger, wie ihr es seid.«
Nibel und Sigmund sahen ihn nachdenklich an und überlegten. »Wir werden viele, viele, viele Vögel schießen, und dann können alle zum Abendessen gebratene Vögel essen«, rief Nibel. »Ich werde einen Adler schießen!«
»Wozu einen toten Adler?«
Sigmund dachte nach. »Vielleicht werde ich ihn nur verwunden und fangen. Dann bringe ich ihn nach Hause, pflege ihn gesund und richte ihn zur Jagd ab.« Sigfrid lachte, legte ihnen die Hände auf die Schultern und schob sie sanft, aber energisch in Richtung Ausgang. »Jetzt lauft los. Sucht die arme Frau, die euch
heute versorgen soll. Laßt euch das Frühstück geben und dann könnt ihr spielen.«
Sigmund klammerte sich an Sigfrids Beine, während Sigfrid ihm durch die Haare fuhr. Dann rannte er davon und holte seinen Freund ein, der schon fast das Tor der Halle erreicht hatte. »Wie schade«, sagte Giselher, »Gunter, willst du die beiden wirklich so schnell von ihren Vaterpflichten entbinden?« Gunter schien seinen Neffen überhaupt nicht wahrzunehmen. »Bist du zur Jagd bereit, Sigfrid?« fragte er, und seine Stimme klang düster und keineswegs so fröhlich wie üblich. Sein Gesicht war bleich unter dem dunklen Bart. Unter dem braunen Umhang trug er dieselbe grüne Tunika wie am Abend zuvor. Sie war so zerknittert, als habe er darin geschlafen.
»Oh ja. Aber was ist mit dir los? Geht es dir nicht gut?«
»Ich bin nur müde. Wenn ich erst an der frischen Luft bin, wird es mir besser gehen.« Sigfrid kaute die letzten Bissen, und dann trank er einen großen Becher Milch. »Geht es Brünhild besser?«
»Nein.«
Sigfrid blickte sich verlegen um. Die Burgunder standen auf und beendeten das Frühstück.
»Kann es losgehen?« fragte Folker und trat zu ihnen. »Die Sonne steht bald hoch am Himmel, und das Wild zieht sich ins Unterholz zurück.« Als Gunter nicht reagierte, sondern nur
trübsinnig vor sich hinstarrte, rief er: »Also los, oder morgen gibt es zum Fest kein Fleisch.« Giselher und Gernot sprangen auf. Gunter und Hagen folgten langsam. Gunters Gefolgsleute nahmen Bogen und Speere von den Halterungen an den Wänden, auch der König holte sich seinen Bogen. »Welche Waffen nimmst du, Sigfrid?« fragte Hagen und stieß das stumpfe Ende seines Wurfspeers auf den Boden. »Gram und meine Kraft. Was sonst sollte ich brauchen?«
»Du hast recht, was einen Drachen töten konnte, müßte ausreichen, um Hirsche und Wildschweine zu erlegen.«
Gunter führte den Jagdtrupp zu den Ställen. Es war kälter, als Sigfrid angenommen hatte. Er sah, wie die Männer die Mäntel enger um sich zogen und nicht erfreut über den eiskalten Wind waren. Grani wieherte und stampfte unruhig, als Sigfrid zu ihm trat und ihn streichelte, während die anderen ihre Pferde sattelten. »Nein, mein Freund, heute bleibst du hier. Du und ich zusammen wären ihnen bei weitem überlegen, aber sie wollen auch ihren Spaß haben und Beute machen. Geduld, Geduld, uns bleibt später noch viel Zeit.«
Grani stieg und schlug mit den Vorderhufen heftig in die Luft. Sigfrid trat nicht zurück. Er wußte, sein Hengst würde ihn nicht angreifen. Er wich auch dann nicht aus, als Granis rechter Vorderhuf seine Schulter traf, und er auf den Boden fiel.
Sigfrid lag auf dem Rücken und blickte den grauen Hengst ungläubig an. Dann berührte er vorsichtig die Schulter. Er hatte sich nichts gebrochen, obwohl er den Schmerz bis in die Finger spürte. Der Hengst schnaubte und beugte sich über
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