Rheingold
Sigfrid, um die Schmerzen zu vertreiben. Dann legte er den Arm über Granis Hals und ließ sich von ihm hochziehen.
»Hast du das wirklich mit Absicht gemacht?« fragte er, und Grani schnaubte Schaum von den Nüstern. »Schon gut, schon gut. Ich bin nicht schwer verletzt.« Sigfrid klopfte ihm beruhigend den Hals. »Ich verspreche dir, morgen werden wir lange ausreiten.«
*
Es fiel Sigfrid leicht, neben Gunters Pferd herzulaufen. Er mußte sich kaum anstrengen, um mit den beiden grauen irischen Hunden, die ihm bis zur Hüfte reichten, auf gleicher Höhe zu bleiben. Er ließ sich den kalten Wind ins Gesicht wehen, der die Blätter unter dem strahlend blauen Winterhimmel von den Bäumen fegte und in allen Farben durcheinanderwirbelte. Die trockenen Zweige brachen unter seinen nackten Füßen, während das Laub vom Vorjahr bereits eine weiche federnde Erdschicht geworden war. Übermütig gab er einem rotweißen Fliegenpilz einen leichten Tritt, der daraufhin wie ein rotes Rad vor den Pferden ins Gebüsch flog. Ein aufgeschreckter Fuchs sprang über den Weg.
Der rötliche Pelz leuchtete hell. Ein Pfeil flog zischend hinter dem Fuchs her, verfehlte ihn knapp und prallte gegen einen von Gras verdeckten grauen Stein. Sigfrid hörte hinter sich einen Burgunder leise schimpfen.
»Für den Anfang nicht übel!« rief Folker dem Schützen zu, trieb seinen Braunen an und erreichte bald die Spitze. »He, Sigfrid, du bist doch so schnell. Warum läufst du nicht voraus und treibst uns das Wild entgegen? Du bist bestimmt schneller als unsere Wolfshunde.« Sigfrid sah Gunter fragend an.
»Meinetwegen«, sagte der Burgunderkönig, »wenn dir das gelingt.« Der Wind hatte Gunters Gesicht gerötet, aber seine Stimme klang noch immer bedrückt, und seine Augen wirkten traurig. »Da kannst du dich freuen, denn ich werde dir etwas bieten, das dich aufmuntert.« Sigfrid pfiff den irischen Wolfshunden und rannte los. Die Hunde setzten ihm aufgeregt bellend nach und versuchten, ihn mit geschmeidigen und kraftvollen Sprüngen einzuholen. Aber schon bald ließ Sigfrid sie weit hinter sich zurück. Er sprang lachend und ausgelassen über halb verfaulte Baumstämme und niedriges Gestrüpp. Die kalte Luft war so erfrischend wie eisgekühlter Wein. Er hatte das Gefühl, bis ans Ende der Welt laufen zu können. Vor sich sah er die Spur eines Hirschs im feuchten Waldboden. Die Abdrücke der Hufe waren so deutlich, als habe ein Goldschmied sie getrieben.
Sigfrid folgte der Spur bis hinunter zum Rhein. Dort stand der Hirsch, ein Zehnender, am Wasser. Sigfrid umkreiste ihn vorsichtig, bis er so stand, daß der Wind ihn nicht verraten konnte, dann schlich er sich an. Mit einem riesigen Satz landete er direkt vor dem Hirsch, der sofort kampfbereit das Geweih senkte. Sigfrid packte die Geweihenden, verdrehte dem Tier den Kopf, bis es zur Seite fiel und mit großem Klatschen im Uferschlamm landete. Der Hirsch verdrehte die Augen, bis man nur noch das Weiße sah, und röchelte. Die dicken Adern am Hals traten deutlich hervor.
Sigfrid hielt seine Beute mit einer Hand, riß sich den Gürtel von der Hüfte und fesselte dem Hirsch damit die langen Beine. Er zog die Schlaufe zusammen, bis das Schwert dem Hirsch wie ein zusätzliches Bein vor der Brust baumelte. Sigfrid hob den Hirsch hoch und legte ihn sich quer auf die Schulter, dann lief er den Weg zurück, den er gekommen war, bis er Hufschlag und das Bellen der Hunde hörte. »He«, rief er, »was habt ihr erlegt?«
»Nichts«, rief Gunter zurück, »und du?«
Sigfrid trat unter den Bäumen hervor und zeigte sich den Jägern. Er hob den Hirsch hoch und rief: »Ich habe euch das Wild gebracht, wie ich es versprochen habe.« Die Burgunder starrten ihn sprachlos an, während Sigfrid den Gürtel von den Beinen des Hirschs löste und ihn wieder losließ, »jetzt seid ihr an der Reihe!«
Der Hirsch sprang auf, schwankte etwas, aber dann dann floh er durch den Wald. Ein paar Pfeile umzischten Sigfrid. Die Hunde nahmen die Verfolgung auf. Die Männer schossen nicht länger, sondern trieben ihre Pferde zum Galopp. Sigfrid blieb etwas hinter ihnen, während sie den Hirsch jagten, der kreuz und quer durch den Wald floh, mit der Meute dicht auf den Fersen.
Plötzlich erreichten sie eine hohe Dornenhecke, die der Hirsch nicht überspringen konnte. Er zögerte kurz, wollte zurück, aber die Hunde sprangen bereits an ihm hoch und zwangen ihn in die Knie. »He!« rief Gunter den Hunden zu und verjagte sie mit
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