Rheingold
Beutel und legte es der Toten auf die Stirn. Ein dumpfer Schlag hallte laut durch den dunklen Ring der Kraft, die Schwalbe stieß einen schrillen Schrei aus, und die Erde schien zu beben, aber Costbera wußte, das Tor war für Krimhild verschlossen. Sie konnte nicht in den Leib zurück.
An der Tür kratzte es, und eine Katze miaute. »Laß Minne herein ...«, flüsterte Costbera Gudrun zu, aber Gudrun war wie erstarrt und bewegte sich nicht. Costbera schlang der Toten das Seidentuch um den Kopf, damit das Kreuz nicht von der Stirn rutschen konnte. Dann ging sie zur Tür und ließ die Katze herein, die die Schwalbe sofort mit ihren glühenden Augen fixierte.
Costbera ging zum Bett zurück. Ich muß die Schwalbe fangen, dachte sie ruhig. Sie blickte auf die Tote und wieder wußte sie genau, was sie zu tun hatte. Sie faltete Krimhilds Hände auf der Brust und schlang ihren Rosenkranz darum. Wie ein Stein fiel die Schwalbe auf den Boden. Die Katze packte zu und biß der
Schwalbe den Kopf ab. Gudrun schrie auf und begann, am ganzen Körper zu zittern, denn vor ihren Augen zerfiel Krimhilds Leichnam zu schwarzem Staub. »Damit ist das Schicksal besiegelt.«
Hagen stand in der offenen Tür. »Wir werden das, was von ihr geblieben ist, in dem Hügelgrab beerdigen, so wie sie es gewollt hat.
*
Niemand - auch nicht Gunter und Gladis -stellte eine Frage, als Hagen am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang den geschlossenen Sarg aus Krimhilds Kammer tragen ließ. Alle aus dem königlichen Haushalt, auch Gudrun und Costbera, waren zur Stelle, als der Sarg der Königin feierlich in die Halle getragen und in ihrer Mitte aufgebahrt wurde, damit der lange Zug der Bewohner von Worms der Königin die letzte Ehre erweisen konnte.
Gudrun eilte in Krimhilds Kammer zurück. Sie stellte alle Flaschen und Phiolen ihrer Mutter in ihre Truhe, denn sie wollte das Gift, die Kräuter und Pulver noch vor dem Begräbnis unschädlich machen. Als sie die Truhe hochheben wollte, erschien Attila in der Tür. »Was hast du vor?« fragte er lauernd. »Was ist da drin?«
»Vermutlich Gift«, erwiderte Gudrun unwillig, »ich versenke alles im Rhein. Aber die Truhe ist mir doch zu schwer, wenn du willst, kannst du sie für mich tragen.«
Attila hob die Truhe an und brummte: »Schwer für eine Frau«, und hob sie auf die Schulter. »Ist sie wirklich tot?« fragte er. »Ja.«
Gudrun erwiderte trotzig seinen Blick, und zu ihrer Überraschung senkte er den Kopf und schwieg, bis sie am Ufer standen. »Eine Schande, das saubere Wasser mit diesen Giften zu verseuchen«, schnaufte Attila, hob die Truhe über den Kopf und warf sie in den Fluß. Der Deckel sprang auf, und Glasflaschen in allen Farben klatschten auf die Wellen, wo sie wie bunte Kleckse trieben, bis sie von der Strömung erfaßt wurden. Die Truhe schwamm eine Weile auf den Wellen, ehe sie versank. »Schade um das Glas«, murmelte Attila. »Aber einen Gegenstand, der verzaubert ist, kann niemand benutzen, wenn er nicht stark genug ist, um den Fluch zu brechen. Ich wollte, der Schamane wäre mitgekommen.«
Gudrun behielt ihre Gedanken für sich. Aber sie wunderte sich, denn ihr Mann sprach selten so offen mit ihr, wenn er nüchtern war. Attila drehte sich um, legte ihr die Hand unter das Kinn und hob ihren Kopf. »Man sagt, am Rhein liegt ein sehr viel wertvollerer Schatz als dieses Gift. Was weißt du eigentlich darüber? Hat dir Sigfrid nie erzählt, wo das Gold liegt?« »Als wir das letzte Mal nach Worms kamen, wollte er es in den Schwarzwald holen«, erwiderte Gudrun langsam, »er hat gesagt, Gunter und Hagen hätten es in der Erde vergraben. Aber wo, das hat er mir nicht gesagt.«
»Es wäre nur gerecht, wenn du das Drachengold endlich bekommst«, fuhr Attila fort. Er war so freundlich und liebenswürdig, wie Gudrun es von ihrem Mann nicht kannte. »Ich würde mich freuen, dich mit den Kostbarkeiten geschmückt zu sehen. Ich kenne die Dinge wohl, die Gunter und Hagen tragen und auch deine Kette mit dem Anhänger und den Drachenring. Ich habe viel Gold erbeutet, aber nichts ist so wertvoll, feurig und schön wie dieses Gold.« Er fuhr mit dem Finger über die Brosche, die Gudrun, wie den Ring, immer trug. Sie wich ihm aus, aber er schien das nicht zu bemerken, sondern blickte wie gebannt auf das schimmernde Gold. »Deine Brüder stellen sich taub, wenn ich davon rede. Aber wenn du am Grab deiner Mutter deinen Anspruch auf den Hort erneuerst, wird dir niemand dein Recht streitig machen
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